Handlungsbedarf in der Biodiversität auch aus Sicht der Wirtschaft ernst nehmen


Auch in der Schweiz ist die Biodiversität bedroht. Mit dem heutigen Entscheid des Nationalrates, im Parlament an einem indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative weiterzuarbeiten, anerkennt er, dass es zusätzliche Massnahmen zum Schutz der Biodiversität braucht. Das ist erfreulich und eine Bestätigung unserer Position: Es braucht auch aus Sicht der Wirtschaft ein stärkeres Bewusstsein für ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Nutzen unseres Ökosystems. Dafür benötigt es bessere gesetzliche Rahmenbedingungen.

Artikel
von Michael Mandl
18.09.2023

Eigentlich sind die Fakten zum Status der Biodiversität klar: Weltweit sind rund eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Auch in der Schweiz steht die Biodiversität stark unter Druck. Rund die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel aller Arten sind gefährdet. Mit dem anhaltenden Verlust der biologischen Vielfalt riskieren wir auch den Verlust unserer natürlichen Lebensgrundlage. Stabile Ökosysteme leisten bedeutende Aufgaben für die Ernährungssicherheit, diverse Wirtschaftsbranchen wie den Tourismus und die menschliche Gesundheit. Mit der zunehmenden Verwendung von biogenen Rohstoffen wird die Biodiversität auch für die Industrie immer wichtiger.  

Aufgrund dieser Ausgangslage lancierte eine Gruppe von Umweltverbänden die Biodiversitätsinitiative und fordert, dass Bund und Kantone die Artenvielfalt, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser schützen. Konkret fordert die Initiative zusätzliche Gelder der öffentlichen Hand zugunsten der Biodiversität und will die bestehenden Flächen mit hoher Biodiversität langfristig bewahren. swisscleantech hat bereits 2021 Position zu dieser Initiative bezogen: Wir unterstützen grundsätzlich das Anliegen, einige Forderungen gehen aber zu weit. Die Initiative würde zu starken Eingriffen in die Eigentumsfreiheit führen; vor allem nicht nur zu Gunsten der Biodiversität, sondern auch für den Schutz von Landschaften und Baudenkmälern. Zudem würde der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen deutlich eingeschränkt. Darum lehnen wir die Initiative ab und unterstützen den vom Bundesrat und vom Nationalrat vorgeschlagenen Weg, wichtige Anliegen der Initiative über einen indirekten Gegenvorschlag im Gesetz zu verankern. Dieser ermöglicht mehr Flexibilität, anerkennt aber gleichzeitig den grossen Handlungsbedarf.

Im Gegensatz dazu will der Ständerat darauf verzichten, diese wichtige Diskussion zu führen und beschloss im Juni 2023 das «Nichteintreten» auf den indirekten Gegenvorschlag. Setzt er sich damit durch, wird die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung gebracht. Damit wird ein falsches Zeichen gesetzt. Denn die Fakten zeigen deutlich auf, dass die bestehenden Rahmenbedingungen nicht ausreichen, um den Rückgang der Artenvielfalt zu bremsen.

Die Kommission für Umwelt Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) hat auf diesen Entscheid hin den indirekten Gegenvorschlag noch einmal überarbeitet, um die Bedenken des Ständerates aufzunehmen. Der Nationalrat hat nun am Montag erneut klar «Eintreten» beschlossen. Er hält damit an seiner bisherigen Position fest. An der Ausgangslage in Bezug auf die Lage der Biodiversität hat sich gegenüber der Beurteilung aus dem letzten Jahr auch nichts geändert. Er eröffnet so dem Ständerat die Möglichkeit, die Diskussion über das Gesetz in einer späteren Session erneut zu führen.

swisscleantech hat als Verband der klimatauglichen Wirtschaft immer darauf hingewiesen, dass es ein Gleichgewicht braucht zwischen der Art, wie wir die Umwelt nutzen und den Massnahmen, um unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Dieses Gleichgewicht von Schutz und Nutzen nehmen wir ernst und die damit verbundenen Abhängigkeiten sind wichtiger Bestandteil unserer Überlegungen zugunsten einer nachhaltigen Wirtschaft.

Diese Sicht der Wirtschaft sollte in beiden Kammern im Parlament berücksichtigt werden. Darum setzen wir uns dafür ein, dass auch der Ständerat den Handlungsbedarf erkennt und auf den indirekten Gegenvorschlag eintritt. Nur so kann die Grundlage für eine fundierte Debatte geschaffen werden, die ein Abwägen der richtigen Rahmenbedingungen für den Schutz der Biodiversität ermöglicht.