EU: Dienstleistungsabkommen als Preis für institutionelle Lösung


Am 2. Mai jährt sich die Unterzeichnung des EWR-Abkommens zum 20. Mal. swisscleantech unterstützt die Bemühungen des Bundesrates, in den bilateralen Beziehungen mit der EU eine Lösung für die offenen institutionellen Fragen zu finden. Dies ist Voraussetzung für den Abschluss des wichtigen Stromabkommens.

Der nachhaltige und liberale Wirtschaftsverband fordert zugleich, dass der Dienstleistungssektor endlich den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt erhält. Die Schweiz soll sich Ihrer Stärken bewusst sein und proaktiv verhandeln.

Die Schweizer Europapolitik ist derzeit durch eine defensive Haltung geprägt. Dies obwohl der Fall Bankgeheimnis gezeigt hat, dass durch Abwarten die Schweiz letztlich an Selbstbestimmung eingebüsst hat. „Die Schweiz soll deshalb das Problem des blockierten bilateralen Weges frühzeitig erkennen und proaktiv mit ihren Anliegen auf die EU zugehen“, fordert Nick Beglinger, Präsident von swisscleanetch. Ein solches Anliegen ist der Zugang der Schweizer Dienstleistungsunternehmen an den EU Binnenmarkt. swisscleantech schlägt vor, die Lösung der offenen institutionellen Fragen, wie sie von der EU verlangt wird, mit der Aushandlung eines Dienstleistungsabkommens zu verbinden. Zudem soll das Stromabkommen möglichst rasch abgeschlossen werden.

Der bilaterale Weg ist blockiert
Die Schweizer Europapolitik war in den bisherigen Verhandlungsrunden immer dann erfolgreich, wenn auch Schweizer Anliegen eingebracht wurden. Das gilt sowohl für das erste wie für das zweite Paket der bilateralen Abkommen. Die Bilateralen I und II haben der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu einem Teil des EU-Binnenmarkts gesichert. Sie haben damit einen Ersatz geschaffen für den Europäischen Wirtschaftsraum, der von der Schweiz massgeblich mit ausgehandelt worden war und vom Schweizer Volk am 7. Dezember 1992 mit einer knappen Mehrheit abgelehnt wurde.

Dank der bilateralen Abkommen gelten für die Schweiz – wenn auch mit Einschränkungen – drei der vier Freiheiten des EU-Binnenmarkts: der freie Warenverkehr, der freie Kapitalverkehr und der freie Personenverkehr. Auch wegen des Zugangs eines Teils der Schweizer Wirtschaft zum EU-Binnenmarkt hat die Schweiz in den vergangenen Jahren ein deutlich besseres Wachstum als die meisten anderen europäischen Länder erzielt. Die EU hat nun aber klargemacht, dass aus ihrer Sicht die institutionellen Rahmenbedingungen für die bilateralen Beziehungen nicht länger tragfähig sind.

Dienstleistungssektor braucht freien Zugang zum EU-Markt
Ausgerechnet einer der wichtigsten Teile der Schweizer Wirtschaft bleibt nach wie vor ausgeschlossen: Die meisten Schweizer Dienstleistungsbranchen haben keinen vertraglich gesicherten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die Aushandlung eines Dienstleistungsabkommen stand sowohl auf der Agenda der Bilateralen I als auch der Bilateralen II. Beide Male wurden die Verhandlungen abgebrochen. Damit haben über zwei Drittel der Schweizer Wirtschaft keinen diskriminierungsfreien Zugang zu ihrem wichtigsten Exportmarkt. Stolpersteine auf dem Weg zu einem Dienstleistungsabkommen waren dabei unter anderem das Bankgeheimnis und die offenen institutionellen Fragen. Diese beiden Stolpersteine dürften in der nächsten Zeit weitgehend aus dem Weg geräumt werden.

Gerade in den Dienstleistungsbranchen ist der ungehinderte Zugang zu den Kunden heute ein entscheidendes Element der Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt um so mehr für die Schweiz, ein Land der Innovation und der Dienstleistungen par excellence mitten in Europa. Betroffen sind insbesondere der Tourismus, die Versicherungsbrache, die Kreativwirtschaft und die Energiedienstleistungen.

Bei der Aushandlung des Dienstleistungsabkommens mit der EU müssen allerdings die berechtigten Interessen des binnenmarktorientierten Teils der Dienstleistungsbranchen berücksichtigt werden. Wie schon bei den bisherigen bilateralen Abkommen müssen flankierende Massnahmen sicherstellen, dass es nicht zu Lohndumping kommt. Dabei kann sich die Schweiz an den Erfahrungen orientieren, die Länder wie Deutschland, Österreich und Frankreich bereits mit dem freien Dienstleistungsverkehr gemacht haben.

Stromabkommen wichtig für die Energiewende
Der Zugang zum europäischen Hochspannungsnetz ist zentral für die Rolle der Schweiz als Drehscheibe und erneuerbare Batterie Europas. Die Energiepolitik veranschaulicht, wie eng die Schweiz an die EU angebunden ist und dass eine Kooperation in diesem Bereich von strategischer Wichtigkeit ist.

Allgemein sollte vom Bundesrat transparent dargelegt werden, wie viel EU Recht durch den bilateralen Weg heute schon übernommen wird und welche zusätzlichen Einschränkungen, aber auch Vorteile, bei einem weiteren Schritt tatsächlich auf die Schweiz zukommen würden. „Der Schweiz ist mit einer Rückkehr ins europapolitische Reduit nicht gedient. swisscleantech ist überzeugt, dass der Bundesrat die Interessen der Wirtschaft aktiv in die Verhandlungen mit der EU einbringt. Dazu gehören die Aushandlung eines Dienstleistungsabkommens und der Abschluss des Stromabkommens“, sagt Nick Beglinger.