Deutsche Post beschämt deutsche Autobranche


Bonn - Weil die Deutsche Post keinen Partner fand, hat sie selbst einen Elektrotransporter entwickelt. Der ist so erfolgreich, dass die Post eine zweite Produktionsstätte errichten will. Die Nachfrage ist groß, vor allem bei Gewerbetreibenden. Einen Partner hat die Post nun auch noch gefunden - Ford.

News
von swisscleantech
24.08.2017

Im Konzert der deutschen Autohersteller spielt sich ein neuer Produzent zunehmend in den Vordergrund. Die Deutsche Post ist unter die Autofirmen gegangen und baut seine Kapazitäten kräftig aus. Der weltgrößte Logistikkonzern mausert sich zu einem der wichtigsten Anbieter für Elektroautos. Der Dieselskandal treibt der Post neue Kunden zu.

Keinen Partner gefunden

Streetscooter heißen die gelben Kleintransporter, von denen bereits rund 3300 in deutschen Städten im Einsatz sind. Sie werden in Aachen produziert, haben eine Reichweite von rund 80 Kilometern und können mit 65 PS rund 85 Stundenkilometer schnell fahren. Mehr Leistung ist für den Einsatz in der Innenstadt nicht nötig. Ursprünglich hatte die Post einen deutschen Autobauer gesucht, um einen auf sie zugeschnittenen E-Transporter zu bekommen. Weil sich niemand fand, kaufte man 2014 das 2010 gegründete Start-up Streetscooter und entwickelte das Postauto der Zukunft selbst. Im April 2016 begann die Serienfertigung.

Zusammenarbeit mit Ford vereinbart

Die eigene Flotte soll bis Ende des Jahres auf 5000 E-Autos wachsen, die Produktionskapazität auf 20.000 Fahrzeuge steigen. Deshalb muss ein zweiter Standort in Nordrhein-Westfalen her. Wo dieser sein soll, will die Post im September bekanntgegeben. Bisher baut Streetscooter die Versionen Work und Work L mit vier und acht Kubikmetern Ladevolumen, daneben E-Bikes und E-Trikes. Vergangene Woche verkündeten Post und Ford eine Kooperation. Auf Basis des Ford Transit soll der Streetscooter Work XL mit 20 Kubikzentimeter Ladevolumen gebaut werden. „Wir stehen am Anfang einer gewaltigen Entwicklung“, sagte Postvorstand Jürgen Gerdes.

Retter des Handwerks?

Der Erfolg des Streetscooter war so groß, dass sich auch andere für das Gefährt interessieren. Seit April wird der Streetscooter ab 32.000 Euro (36.500 Franken) an Dritte verkauft, auch die Ladeinfrastruktur wird auf Wunsch geliefert. Er ist als Pickup oder mit Box erhältlich und wird entsprechend der Kundenwünsche konfiguriert. Interessant dürfte er vor allem für Gemeinden und Gewerbetreibende sein. In der Fachpresse wurde das Fahrzeug schon als „Retter des Handwerks“ tituliert. Viele Handwerksbetriebe fahren dieselgetriebene Transporter, denen wegen zu hoher Stickoxidwerte in vielen Städten Fahrverbote drohen.

Auch ein Großkunde hat bei der Post schon angebissen. Der Fischgroßhändler Deutsche See hat 80 Streetscooter mit Kühlboxen bestellt. Bislang hatte die Deutsche See einen anderen großen Lieferanten. 2009 wurde mit Volkswagen ein Vertrag geschlossen, um die umweltfreundliche Mobilität voranzutreiben. Dann kam der Skandal um abgasmanipulierte Dieselautos, auch 500 Fahrzeuge der Flotte des Fischhändlers waren betroffen. Die Deutsche See fühlte sich „arglistig getäuscht“ und verklagte VW als erster Großkunde im Februar 2017 auf knapp 12 Millionen Euro Schadenersatz. Ein Urteil steht noch aus. 

Stefan Uhlmann, Berlin