Die Verstromung von Kohle in Deutschland erhält ein Ablaufdatum. Bis 2038, womöglich aber bis 2035 soll der letzte Kohlemeiler vom Netz gehen. Das schlägt die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung in ihrem Abschlussbericht vor. Danach sollen bereits bis 2022 Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von 5 Gigawatt und von Steinkohlekraftwerken mit einer Leistung von 7,7 Gigawatt abgeschaltet werden. Bis 2030 soll die installierte Braunkohleleistung um insgesamt 10,9 Gigawatt und die Steinkohleleistung um insgesamt 14,7 Gigawatt verringert werden. Damit hätte die Energiewirtschaft ihren CO2-Ausstoss im Vergleich zu 1990 um 62 Prozent verringert.
Gleichzeitig sollten die CO2-Zertifikate im Rahmen des Europäischen Emissionshandels in gleicher Höhe stillgelegt werden, um eine blosse Verschiebung des CO2-Ausstosses hin zu anderen Emissionsquellen zu verhindern. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen.
Die Kommission rechnet mit steigenden Strompreisen aufgrund der Stilllegung von Kohlekraftwerken. Sie schlägt daher Ausgleichszahlungen an die Verbraucher vor. Zudem soll der Staat Anreize zu Investitionen in neue Kraftwerkskapazitäten geben und die Verfahren zur Genehmigung neuer Gaskraftwerke beschleunigen. Die betroffenen Bergbauregionen namentlich in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen sollen beim Strukturwandel unterstützt werden. So sollte die Lausitz Energieregion bleiben und eine Modellregion für die klimafreundliche Mobilität werden.
Die Kommission wird vom ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der Energieökonomin Barbara Praetorius und dem ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen, Stanislaw Tillich, präsidiert. Ihr gehören zahlreiche Politiker und Wissenschaftler an.
Der Abschlussbericht ist auf unterschiedliche Reaktionen gestossen. Patrick Graichen, der Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, nennt den Kohlekompromiss in einer Erklärung „eine Sternstunde für unser politisches System“. Nike Mahlhaus, die Pressesprecherin von Ende Gelände, einer Allianz für den raschen Kohleausstieg, kritisiert den Kompromiss. „Noch 20 Jahre Kohlekraft sind 20 Jahre Kohlekraft zu viel“, wird sie in einer Mitteilung zitiert. Das wirtschaftsnahe ifo Institut in München kritisiert die hohen Kosten. „Vertan wurde die Chance, den Kohleausstieg mit einer grundlegenden Reform der Energie- und Klimapolitik zu verbinden“, wird ifo-Forscherin Karen Pittel in einer Mitteilung zitiert. Nun ist es an der Bundesregierung, die Vorschläge zu bewerten und den Fahrplan für den Kohleausstieg festzulegen. stk