Die Energiewende nach der Wendewahl


Die Wahlen im Oktober haben die Politlandschaft umgestaltet. An den Erfolgschancen der Energiewende ändert sich jedoch nichts. Denn die Energiewende hat einen Zeithorizont von mindestens 40 Jahren oder 10 Legislaturen. Ob die Energiewende zum Erfolg wird hängt deshalb von anderen Erfolgsfaktoren ab.

Niemand wird es bestreiten können: Politisch stellt die Wahl vom 17. Oktober eine Zäsur in der Energiepolitik dar. Die knappe, jedoch stabile Mitte-links-Mehrheit für energiepoltische Vorlagen ist wie Schnee an der Sonne geschmolzen und hat einer wackeligen Pattsituation platz gemacht, die jede Abstimmung zu einer Zitterpartie macht. Aus einer breiteren Perspektive betrachtet, zeigt diese Wahl jedoch nur das, was man schon lange hätte wissen müssen: Die Schweiz ist in ihrer Mehrheit bürgerlich dominiert, die Städte sind eher Mitte-links orientiert, das Umland und die Landschaft wählt eher Mitte-rechts. In einem Konkordanzsystem führt dies zu einer Pattsituation, wo schon Verschiebungen um wenige Prozente als Richtungswahl bezeichnet werden. Wer jeweils oben aus schwingt – das bestimmt die Grosswetterlage. Vor vier Jahren war die «Fukushima Wahl», heuer ist die «Asyl Wahl».

Energiewende: Zeithorizont 40 J

Man könnte nun argumentieren, dass das Bündnis aus Links-Grün und Mitte-Parteien die Gunst der Stunde besser hätte nutzen sollen. Diese Analyse greift aber zu kurz. Schon der Titel der aktuellen Debatte weist den Weg. Die Energiestrategie 2050, um die sich die aktuelle Diskussion dreht, ist ein Grossprojekt mit einem Zeitrahmen von über 40 Jahren. Denn eigentlich wurde die Basis dazu nicht nach dem Kernkraftunfall in Fukushima gelegt. Die ersten Analysen welche das Beratungsbüro Prognos im Auftrag des Bundes durchführten, sollten die Frage beantworten, wie die Schweiz den Klimawandel bekämpfen könnte. Diese Untersuchungen wurden in den Nullerjahren durchgeführt und prägen die Energiepolitik der Schweiz bis heute.

Der Einfluss des Unfalls in Fukushima

Der Unfall in Fukushima veränderte die Ausgangslage nur insofern, als plötzlich vielen klar wurde, dass die Kernkraftwerke in Zukunft wohl keinen Beitrag zu diesem Kampf mehr leisten würden. Dieses Thema – obwohl in der Diskussion immer im Vordergrund – betont die Bedeutung der Kernkraftwerke viel zu stark. Vergessen wir nicht: rund 80 Prozent unseres Energieverbrauchs decken wir fossil und nur etwa 10 Prozent mit Kernenergie. Die Energiewende war deshalb schon immer ein Projekt, bei dem es um den Ausstieg aus dem Verbrauch der fossilen Energien UND aus der Kernenergie geht.

Konsens als Basis

Aus dieser Perspektive betrachtet stellt sich die Frage ganz anders: Kann man eine so langfristige Strategie umsetzen ohne sich auf einen gesamtgesellschaftlichen Konsens ab zu stützen? Ein Blick in andere Länder zeigt es sehr deutlich: Eine nachhaltige Energiepolitik kommt in denjenigen Ländern voran, in denen es gelungen ist das Thema über die rechts–links Grenzen hinaus zu verankern. Nehmen wir Dänemark, das seit Jahren einen klaren Energiewendekurs fährt, obwohl die Regierungen wie Windfahnen von rechts nach links und zurück nach rechts schwenken. Oder blicken wir nach Deutschland wo die CDU die Gegner der Energiewende praktisch marginalisiert hat und wo im Moment die SPD, die klar hinter der Energiewende steht, händeringend nach Lösungen sucht, wie man die Interessen der Kumpel im Braunkohleabbau mit den Klimazielen unter einen Hut bringen kann.

Uneinige Gegner

So gesehen liegt die Problemlage in der Schweiz ganz anders. Genau wie vor Fukushima stellt sich in der Schweiz auch heute die Frage, was getan werden muss, um die Energiewende aus dem links-rechts Schema herauszulösen. Hilfreich könnte dabei sein, dass auch die beiden Gegner der Energiewende in der Schweiz sich nicht einig sind, wohin die Reise gehen soll. Während die SVP nach wie vor auf Kernkraftwerke setzt, setzen gewichtige Vertreter der FDP auf eine Importstrategie. Ein Lösungsorientierter Konsens, der über die Ablehnung der Energiewende hinaus geht, zeichnet sich jedoch nicht ab.

Wahlen als Chance begreifen

Vielleicht besteht eine Chance darin, dass die Energiewendegegner beginnen, die Vorurteile gegen die erneuerbaren Energien abzubauen. Dann würde man merken, dass die erneuerbaren Energien die berechtigten Interessen der SVP nach einer hohen Eigenversorgung genau so befriedigen können wie die Interessen der FDP, für welche Versorgungssicherheit und Kostenvorteile im Vordergrund stehen. Beide Interessen können jedoch nur durch eine kluge Energiepolitik unter einen Hut gebracht werden. Eine «laissez–faire Politik» hilft weder den einen, noch den andern.

Erst wenn es gelingt, die Energiewende aus dem links-rechts Schema zu befreien, entsteht eine Basis, die breit genug ist, damit die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden kann. Damit kann man die Wendewahl vom Oktober auch als Chance begreifen. Denn eine Energiewende ohne überzeugende Basis ist zum Scheitern verurteilt.