Energie- und Klimapolitik im Aufbruch


Ausserordentlich viele Entscheide in zuweilen historisch hohem Tempo: Die Energie- und Klimapolitik ist nach dieser denkwürdigen Herbstsession im Aufbruch. Viele Entscheide werden den Weg zu einer klimatauglichen Wirtschaft ebnen; Kurskorrekturen bedarf es mitunter zum Schutz der Biodiversität. Eine Einordnung zu Gletscherinitiative, Mantelerlass und Beschleunigungsprojekte für erneuerbare Energien.

Fotografie: Maksim Shutov

Die Gletscherinitiative auf der Zielgeraden

Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative wurde in dieser Herbstsession zu Ende behandelt. Die Vorlage sieht vor, dass verbindliche Absenkziele gesetzlich festgeschrieben werden – darunter eine Reduktion der Emissionen von 75% bis 2040. An den Eckdaten dieses indirekten Gegenvorschlags hat sich in der Differenzbereinigung nur noch wenig verändert. Wichtigstes Ergebnis: Die Subventionen für Gebäudesanierungen und Heizungsersatz wurden von 100 Millionen wieder auf 200 Millionen Franken pro Jahr erhöht. Dies entspricht der ursprünglich vom Nationalrat geforderten Lösung und machte den Weg frei, dass die Gletscherinitiative nun zurückgezogen wurde. Aus strategischen Gründen wurde die von swisscleantech eingebrachte Bürgschaft für Sanierungen an Gebäuden aus dem Gesetzesvorschlag entfernt. Wir arbeiten daran, diese Idee im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes weiter zu verfolgen.

Unverändert bleibt, dass über sechs Jahre hinweg jährlich 200 Millionen Franken zur Verfügung stehen, um unternehmerische Netto-Null-Pläne umzusetzen und Klimaschutz-Innovationen zu fördern. swisscleantech hat sich über direkte Gespräche mit Mitgliedern des Parlaments, aber auch mit Briefen im Namen von CEO4Climate für diesen ambitionierten Gegenvorschlag eingesetzt, der den Weg zum Rückzug der Gletscherinitiative geebnet hat. Auch wenn nicht alle Massnahmen unseren Präferenzen entsprechen, bringt er bringt uns der klimatauglichen Wirtschaft einen wichtigen Schritt näher.

Mit Höchstgeschwindigkeit zu alpinen Solaranlagen und ausgebautem Grimselstausee

In einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit stellte der Ständerat eine Vorlage zum Bau von alpinen Solaranlagen auf die Beine. Im Nationalrat wurde diese anschliessend um den Ausbau des Grimselstausees ergänzt.

Diese Anlagen werden im Winter rund 1.5 Terawattstunden zusätzlichen Strom produzieren und damit zur Energiewende wie auch zur Winterstromversorgung beitragen – ein mutiger und wichtiger Schritt, der unseren Zielen entspricht. Und doch bringt das Vorgehen auch Herausforderungen mit sich: Aus der aktuellen und dringlichen Energiekrise heraus werden Lösungen angestossen, deren Wirkung erst mittelfristig greifen – zu einem Zeitpunkt, so hoffen wir, wo diese Dringlichkeit nicht mehr in diesem Ausmass gegeben ist.

Für die klimataugliche Wirtschaft ist klar: Der zusätzliche Bau von Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien ist zentral, darf aber nicht ohne Rücksicht auf die Biodiversität geschehen. Der Ständerat ging hier zu weit. swisscleantech hat sich dafür eingesetzt, dass der Schutz der Biodiversität nicht vollständig ausgehebelt wurde. Auf Grund dieser mit Partner*innen koordinierten Gespräche hat der Nationalrat hier klärend eingegriffen. Wir werden uns auch in Zukunft für die Balance von Energieproduktion und Biodiversität engagieren.

Insgesamt bringt uns dieses rasche, dringliche Vorgehen einen Schritt weiter. Zur Wahrung der Rechtssicherheit müssen diese Massnahmen jedoch eine Ausnahme bleiben. Vielmehr müssen wir in den nächsten Jahren die Abwägung von Schutz der Biodiversität und Nutzung zur Energieproduktion der Landschaft klären. swisscleantech hat sich dazu mehrfach geäussert, konkrete Vorschläge folgen. Klar ist für uns: Es braucht mehr Kompromisse im Landschaftsschutz – der Biodiversität müssen wir aber weiterhin grosse Sorge tragen. 

Mit dem Mantelerlass in die Zukunft der Schweizer Energieversorgung

Parallel dazu wurde auch der Mantelerlass, in dem verschiedene Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für Energieeffizienz und Innovation im Energiebereich geregelt ist, behandelt. Auch hier beschleunigt die aktuelle Energieversorgungslage die Diskussion und auch hier kam der Konflikt zwischen dem Schutz der Biodiversität und der Nutzung zur Energieproduktion auf. Dank intensivem Lobbying – auch von swisscleantech – gelang es, den rabiaten Angriff auf die Biodiversität abzuwehren. Die aktuelle Formulierung ist aber noch nicht ausbalanciert genug – wir bleiben dran.

Zur Förderung von Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Strom wurde der Weg frei gemacht für einen Fördermechanismus, der die Risiken der Investor*innen deutlich reduziert. Auch swisscleantech schliesst sich angesichts drohender Energiemangellagen dieser Idee an, um den vorherrschenden Schwung nicht auszubremsen. Mittelfristig müssen aber marktnähere Finanzierungsmechanismen stärker gewichtet werden, um die Schweizer Energiepolitik nachhaltig, effektiv und bezahlbar zu gestalten.  

Wir befürworten, dass als Teil des Mantelerlasse auch die Netznutzungsgebühren für Speicher neu geregelt werden sollen: Aktuell bezahlen Betreiber*innen von Batteriespeichern Netzgebühren, obwohl sie in erster Linie dazu beitragen, das Netz zu stabilisieren. Neu hat der Ständerat beschlossen, dass Batterien vom Netzentgelt befreit werden sollen. Inkonsequent ist dabei aber, dass nur jene Speicher von den Netznutzungsgebühren befreit werden, an welchen direkt keine Nutzer*innen angeschlossen sind. So würden beispielsweise Fahrzeugbatterien ausgeschlossen, obwohl diese als Schwarmspeicher einen grossen Beitrag zur Stabilisierung der Stromversorgung leisten können. Diese Einschränkung ist nicht zu rechtfertigen und wir werden uns im Rahmen des Nationalrates für eine entsprechende Ausweitung einsetzen

Bedauerlich ist weiter, dass der Ständerat die ins Gesetz eingebrachten Elemente zur Förderung der Energieeffizienz herausgestrichen hat. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Themen wieder aufgenommen werden.

Mit dem SVP-Referendum bereiten wir uns auf einen Abstimmungskampf vor

Die SVP hat das Referendum gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative ergriffen. Wir gehen aktuell davon aus, dass dieses Referendum zustande kommt und die Volksabstimmung im nächsten Sommer folgt – und werden uns gemeinsam mit einer starken Allianz für ein Ja zum Gegenvorschlag engagieren.