KKW-Stilllegung: Jetzt muss das Parlament handeln.


Auf die Frage der Laufzeitenregelung für Kernkraftwerke muss jetzt eine saubere Lösung gefunden werden. Auf dem Spiel steht mehr Sicherheit und bessere Planbarkeit.

Der Bundesrat hat es verpasst, seine Verantwortung wahrzunehmen und dem ENSI sind die Hände gebunden. Es liegt daher am Parlament den Bundesrat zu beauftragen, eine volkswirtschaftlich sinnvolle Ausstiegs-Lösung zu finden. swisscleantech hat hierfür einen Vorgehensvorschlag erarbeitet. Dieser basiert auf einer politisch festgelegten Reststrommenge an Kernkraft und einem vom Bund geführten Verhandlungsprozess. Die Lösung wird den Bedürfnissen der Betreiber gerecht und erhöht insgesamt die Sicherheit, ohne dabei die Versorgung zu gefährden.

Ausgangslage
Das Thema der KKW-Laufzeiten ist in der Schwebe: der Bundesrat ist klar gegen fixen Laufzeiten, während die Initiative der Grünen eine pauschale Beschränkung von 45 Jahren vorsieht. Das ENSI sieht einen klaren Bedarf nach einer gesetzlichen Regelung der ‚End of Life Phase’, konnte sich aber mit seinem ‘40+10+x’ Vorschlag bisher nicht durchsetzen. Die Betreiber drohen mit Schadenersatzklagen. Das Volk sieht gemäss einer Umfrage der ETH Zürich das höchste Risiko bei den Atomkraftwerken. Mit Hilfe seines Energiemodells hat swisscleantech die Thematik aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive betrachtet und eine attraktive Lösung erarbeitet. Es liegt nun am Bundesrat, die einzelnen Akteure an den Verhandlungstisch zu bringen und eine für die Schweiz sinnvolle Lösung herbeizuführen. Das Parlament soll den Auftrag dazu erteilen.

Verhandlungslösung mit übertragbaren Produktionskapazitäten
Konkret geht dies so: die Politik legt zuerst einen Richtwert für die gesamte Restproduktion aus Kernkraft fest (z.B. basierend auf 50 Jahren Betriebszeit pro Werk). Die Betreiber einigen sich anschliessend in Verhandlungen auf eine definitive Restproduktion. Ältere Werke können ihr Produktionskontingent an neuere Werke verkaufen. Ist keines der neueren Werke willig oder in der Lage Restproduktionsmengen zu kaufen, kann der Staat als Zwischen-Eigner auftreten. Im Referenzszenario würde dies für Mühleberg Produktionskapazitäten im Wert von rund CHF 220 Mio. und für Beznau I und Beznau II von total CHF 120 Mio. bedeuten und den Betreibern ein frühzeitiges Abschalten erleichtern. Das letzte Schweizer KKW würde 2037 vom Netz gehen. Im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen weist dieser Vorschlag entscheidende Vorteile auf.

40% mehr Sicherheit
Das Risiko eines Kernschadens ist bei Beznau I & II und Mühleberg substantiell höher als bei Gösgen und Leibstadt. So verfügen Leibstadt und Gösgen zum Beispiel über ein sogenanntes doppeltes Containment: über eine zweifache, stabilere Barriereschicht aus Stahl und Beton um den Reaktorkern herum. Die Reaktoren in Mühleberg und Beznau weisen dagegen nur einen relativ dünnen Stahlbetonmantel auf. Wird die Produktion von älteren Anlagen auf neuere Anlagen verlagert, sinkt das gesamtschweizerische Risiko der Kernkraft-Reststromerzeugung. Im swisscleantech Referenzszenario wird die Wahrscheinlichkeit für einen Kernschaden gegenüber einem Weiterbetrieb basierend auf 50 Jahren Durchschnittslaufzeit aller Anlagen um rund 40% reduziert. „Das ENSI kennt nur die digitale Logik: laufenlassen oder abstellen. Was letztlich aber zählt, ist das Gesamtrisiko der Schweizer Stromproduktion aus Kernkraft. Dieses wird mit unserem Vorschlag entscheidend reduziert“, sagt Christian Zeyer, Leiter Research bei swisscleantech.

Keine unnötigen Investitionen
Ursprünglich war von den Betreibern geplant, dass nach Ablauf der vorgesehenen Laufzeit von 50 Jahren Ersatzkraftwerke zur Verfügung stehen. Nach den Ereignissen in Fukushima besteht diese Option nicht mehr. „Jetzt, da keine Ersatzkraftwerke gebaut werden können, wollen die Betreiber ihre Werke so lange wie möglich laufen lassen. Dazu sind aber teure Nachrüstungen gefordert. Um diese wieder zu amortisieren müssen vor allem die alten Werke noch länger laufen als geplant“, sagt Nick Beglinger, Präsident von swisscleantech. Die Nachrüstung alter KKWs ist weder aus volkswirtschaftlichen noch aus sicherheitstechnischen Überlegungen sinnvoll. Kernkraftwerke der jetzigen Generation sind Auslaufmodelle. „Das Geld können wir bedeutend besser investieren. Wir müssen also dafür sorgen, dass ein früheres Ausschalten der älteren Werke betriebswirtschaftlich möglich gemacht wird.“

Mehr Planbarkeit und Versorgungssicherheit
Ein entscheidender Vorteil dieser Lösung ist die Planbarkeit. Investitionen in die Sicherheit der Kernkraftwerke wie auch in neue Infrastruktur für Effizienz, Erzeugung, Speicherung und Verteilung der Energie können nur optimal geplant werden wenn klar ist, wie viel Strom aus Kernkraftwerken wann zur Verfügung stehen wird. Die Versorgung wird bei diesem Vorgehen nicht gefährdet – im Gegenteil. Für die Versorgungssicherheit sind die drei älteren Kernkraftwerke nicht notwendig. In den Wintermonaten der Jahre 2030–2040 ist jedoch eine Bereitstellung von Strom durch die neueren zwei Werke für die Versorgungssicherheit sinnvoll. Hinzu kommt: heute sind die Betreiber nicht für den vollen Schaden eines nuklearen Grossunfalls versichert. Keine Versicherungsgesellschaft ist bereit, Risiken solchen Ausmasses zu versichern. Aufgrund der möglichen Schadenshöhen von bis zu Tausenden von Milliarden Franken trägt deshalb letztlich die Volkswirtschaft das Restrisiko. Der Staat ist somit massgeblich am Kernkraft-Risiko beteiligt und hat daher auch ein Mitsprache-Recht. „Eine Beschränkung dieses Risikos durch die genaue Regelung der Restproduktion scheint logisch und fair. Die Betreiber werden sich also gut überlegen ob es nicht klüger wäre eine Verhandlungslösung zu finden, als stur auf Klagen zu setzen“, resümiert Beglinger.