
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Tages-Anzeiger-Beilage «FOKUS Mobilität».
Der Weg, wie die Dekarbonisierung des Verkehrs erreicht werden soll, sind Jahr für Jahr sinkende Flottenziele für die CO₂-Emissionen der Neuwagen. Dabei ist der Autohandel frei, wie er die Ziele erreichen will – steigende Zulassungen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen sind jedoch das effizienteste Mittel, das Ziel zu erreichen.
Doch Ziele sind nur so lange sinnvoll, als ihre Erreichung überhaupt realistisch ist. Und zumindest in gewissen Medien wurde dies stark infrage gestellt.
Fehlinterpretation von Daten
Zum vermeintlich düsteren Bild des Zustands der E-Mobilität trägt auch eine teils irreführende Berichterstattung bei. So war am 9. Februar im Tages Anzeiger zu lesen: «Auch das Elektroauto ist plötzlich nicht mehr so beliebt. Gemäss den diese Woche vom Bundesamt für Statistik kommunizierten Zahlen gingen die Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um 12,5 Prozent zurück. Zuvor war der Anteil mehrere Jahre stark gestiegen.» Bei der gewählten Formulierung liegt die Interpretation nahe, dass der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen letztes Jahr um 12,5 Prozent zurückging. In Wahrheit schrumpfte der Automarkt insgesamt, und der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen nahm im Vergleich zum Vorjahr nur leicht ab (2024: 19,3 Prozent, 2023: 20,9 Prozent).
Zulassungen steigen wieder
Ein nüchterner Blick auf die ersten Zahlen zum Jahr 2025 zeigt aber, dass der Rückgang wohl nur vorübergehend war: Im Januar lag der Anteil der E-Autos bei den Neuzulassungen bei 19,7 Prozent und im Februar bei 21,1 Prozent. Im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat stellt dies einen Anstieg von 4,2 und 3,3 Prozentpunkten dar. Noch nie waren die Anteile in den Monaten Januar und Februar höher als 2025 – und dies trotz grossen Verkaufseinbrüchen bei Tesla.
Günstigere Modelle auf dem Markt
Einen Treiber hinter der Erholung der Neuzulassungen findet, wer die Liste der meistverkauften E-Autos in den ersten zwei Monaten analysiert: Knapp hinter dem Tesla Model Y (394 Fahrzeuge) liegt der Renault 5 (336) auf dem zweiten Rang, der für unter 30’000 Franken erhältlich ist. Auch andere Hersteller haben Modelle in der tieferen Preisklasse entweder bereits im Angebot oder für das laufende Jahr angekündigt, darunter Citroën, Dacia und Fiat, aber auch chinesische Hersteller wie JAC. Mit solchen Preisen werden E-Autos zunehmend massentauglich – was wiederum zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage führen wird.
Kosten sinken weiter
Ein wichtiger Treiber hinter dem Preisfall sind die grossen Fortschritte in der Batterietechnologie. So prognostiziert VW, dass die Kosten für Batterien bis 2027 im Vergleich zu 2023 um 50 Prozent fallen werden und bis 2029 um weitere 20 Prozent. Damit werden Elektrofahrzeuge in der Anschaffung etwa gleich teuer wie vergleichbare Verbrenner, wegen der Kosten im Gebrauch sind sie aber über den Lebenszyklus gerechnet schon heute meist günstiger.
Zielwerte in Reichweite
Darum scheint es heute möglich, die CO₂-Zielwerte auch dieses Jahr zu erreichen. So rechnet eine Studie des International Council on Clean Transportation ICCT vor, dass im Schnitt ein E-Auto-Anteil von 28 Prozent genügen wird, um den Zielwert einzuhalten.
Mit einem Blick auf die jüngsten Statistiken zu den Neuzulassungen und auf das wachsende Angebot an Fahrzeugen in den tieferen Preisklassen ist dies ein realistisches Ziel. Der Anteil von 21,1 Prozent im Februar, kombiniert mit der Tendenz, dass die Anteile in der wärmeren Jahreszeit steigen, zeigt, dass die Schweiz auf einem guten Weg ist. Eine Aufweichung der Grenzwerte ist also nicht nötig – zumal den Importeuren auch weitere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Neuwagenemissionen zu senken.
Norwegen und Dänemark als Vorbild
Um zu verstehen, was heute bereits möglich ist, lohnt sich ein Blick ins Ausland. Denn im europäischen Vergleich lag die Schweiz Anfang Jahr lediglich auf dem 12. Platz bezüglich Neuzulassungen. Angeführt wurde das Ranking einmal mehr von Norwegen, dem Pionier der E-Mobilität – nur noch 5 % Prozent sind dort Verbrennerfahrzeuge.
Als neue Nummer 2 hat sich inzwischen Dänemark etabliert. Lag der Anteil Anfang 2024 noch unter 40 Prozent, stieg er innerhalb eines Jahres auf über 65 Prozent. Auch Belgien machte im letzten Jahr grosse Fortschritte, von 21 Prozent auf über 33 Prozent. Ähnliches zeigt sich in Luxemburg, wo der Anteil um ein Drittel anstieg.
Kaum Förderung in der Schweiz
Bei näherer Betrachtung dieser Beispiele lassen sich verschiedene Treiber identifizieren, die von steuerlichen Anreizen für Privatpersonen, über steuerliche Anreize für Unternehmensflotten bis zu Kaufprämien bei E-Autos gehen. In der Schweiz wird die E-Mobilität währenddessen auf nationaler Ebene nicht direkt gefördert; lediglich in einzelnen Kantonen gibt es Vergünstigungen der Fahrzeugsteuer sowie Förderprogramme für die Installation der Ladeinfrastruktur. Dies ist keine Kritik an den Flottengrenzwerten an sich.
Flottengrenzwert – ein nützliches Instrument
Die CO₂-Zielwerte sind ein gutes klimapolitisches Instrument – sie zu lockern, ist der falsche Weg. Die Ziele wurden von langer Hand angekündigt, und die Branche hatte reichlich Zeit, sich darauf einzustellen. Eine Lockerung führt nicht nur zu Unsicherheiten bezüglich Investitionen, sondern bremst die Elektrifizierung. Die Elektrifizierung des Strassenverkehrs ist aber trotzdem kein Selbstläufer.
Zugang zu Lademöglichkeiten
Weitere Massnahmen müssen umgesetzt werden, um die Elektrifizierung voranzutreiben. So haben Mieter*innen und Stockwerkeigentümer*innen heute nur begrenzt Zugang zu Lademöglichkeiten am Wohnort. In einem Land wie der Schweiz, in dem knapp 60 Prozent der Menschen zur Miete wohnen, bremst diese Hürde die Nachfrage nach E-Mobilität aus. Hier engagiert sich swisscleantech zusammen mit anderen Organisationen dafür, dass die gesetzlichen Grundlagen so geändert werden, dass der Zugang zur Lademöglichkeit Mieter*innen künftig nicht mehr verweigert werden kann. Ladeinfrastrukturen dürften dann mit eigener Finanzierung durch Mieter gebaut werden. So wird das Laden zu Hause deutlich erleichtert – wie dies in unseren Nachbarländern Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich bereits der Fall ist.
Firmenflotten als Treiber
Wenn Mitarbeitende zu Hause das Firmenauto laden können, erleichtert dies auch den Unternehmen die Umstellung ihrer Flotte auf die E-Mobilität. Dies ist wichtig, da knapp die Hälfte der Neuzulassungen Teil einer Firmenflotte sind. Zudem haben Firmenautos eine überdurchschnittlich hohe Kilometerleistung. Zusätzlich zur fehlenden Lademöglichkeit besteht hier aber eine weitere Hürde: Der höhere Anschaffungspreis führt zu einem Steuernachteil. Auch hier setzt sich swisscleantech dafür ein, dass Fehlanreize beseitigt werden.