Laufzeitverlängerung KKW: Kluger Schachzug oder Irrweg?


Es ist nicht erstaunlich, dass mit dem Abbruch der Verhandlungen um den Rahmenvertrag die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke wieder auf den Tisch kommt. swisscleantech hat bereits in der Energiestrategie von 2014 darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn die Energie- und Klimapolitik engagiert umgesetzt würde, spätestens in den dreissiger Jahren Winterstrom knapp werden dürfte.

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Auch wenn es gelänge, mit der EU ein Abkommen zur Stromversorgung abzuschliessen, wäre es aufgrund der zunehmenden Stromflüsse und der zu erwartenden Differenz zwischen Angebot und Nachfrage nicht sicher, dass genügend Strom in die Schweiz importiert werden könnte. Die aktuelle Diskussion bestätigt die damalige Erwartung von swisscleantech: Die Schweiz wird kaum darum herum kommen, die Kernkraftwerke so lange zu betreiben, wie sie sicher sind.

Allerdings darf diese Aussage nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz damit ein erhebliches Risiko eingeht. Wie lange die alternden Atomkraftwerke sicher am Netz bleiben können, ist nicht vorausbestimmbar. Auch wenn sehr viel Geld in die Modernisierung der Anlagen gesteckt wird: Die Alterung – insbesondere die Versprödung des Reaktorkessels – kann nicht aufgehalten werden. Wie lange die Reaktoren also im Betrieb sein können, ist weniger eine politische als eine technische Frage. Müssen sie unverhofft vom Netz genommen werden, ergibt sich sofort eine zusätzliche Deckungslücke, die sehr schwer zu schliessen ist.

Vorwärts machen mit erneuerbarer Energie
Die Schweiz tut also gut daran, endlich mit dem Zubau der erneuerbaren Energien vorwärts zu machen. Wir erinnern uns: Das Potenzial der Wasserkraft in der Schweiz ist nahezu ausgequetscht, Windkraftanlagen werden kaum zugebaut und auch in der Solarenergie stockt der Ausbau: Grosse Anlagen ohne Eigenverbrauch können heute kaum finanziert werden. Mindestens so wichtig wie die Diskussion, ob die Kernanlagen länger betrieben werden können, ist daher nun die parlamentarische Initiative Girod, welche den Zubau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie finanzieren soll.

Ein Punkt wird in der Diskussion um den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke leider völlig ignoriert: Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den Kernkraftwerken Leibstadt und Gösgen einerseits, und den Altreaktoren in Beznau andererseits. Die erstgenannten sind deutlich sicherer gegenüber Störungen und – falls dennoch eine Störung eintreten sollte – schützen sie die Umwelt durch doppeltes Containment deutlich besser.
Weitsichtig wäre es also, die Kernkraftwerke in Beznau so schnell wie möglich auszuschalten und dies zum Anlass nehmen, mit dem Ausbau von Sonnenenergie und Windkraft vorwärts zu machen. Denn auf die alternden Kernkraftwerke zu setzen ist eine gefährliche Wette.

Artikel in der NZZ am Sonntag vom 4. Juli 2021 zum Thema