Stromversorgungssicherheit vor Klimaschutz?


Stromversorgungssicherheit geht vor klimaneutraler Energieproduktion und einem bezahlbaren Strompreis – dies zeigt eine neue Studie des gfs.bern im Auftrag des Verbands Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE. Die Antworten aus der Schweizer Stimmbevölkerung bilden sowohl tief liegende Herausforderungen wie die aktuell besonders hitzig geführte Diskussion ab – diese Auseinandersetzung um die Energiestrategie im Allgemeinen und um die Versorgungssicherheit im Besonderen ist wichtig; sie muss aber mit kühlem Kopf geführt werden.

Fotografie: Dan Meyers

Erfreulich an den Resultaten ist, dass die grosse Bedeutung der erneuerbaren Energien mittlerweile in breiten Teilen der Bevölkerung angekommen ist. Auch dass die Photovoltaik in Zukunft eine wichtige Rolle für die Schweizer Energieversorgung spielen wird, findet mittlerweile breite Zustimmung. Allgemein bestätigen die Antworten die Energiestrategie des Bundes und damit den schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energien und aus der Kernenergie.

 

Sind Sie mit der aktuellen Energiepolitik in der Schweiz einverstanden?

Quelle: gfs.bern | Versorgungssicherheit: Schlüsselmomentum für die Schweizer Energiepolitik

 

Dennoch: Das Vertrauen in die Energiestrategie 2050 reicht noch nicht aus. Rund 70 % der Befragten bestätigen die Aussage, die erneuerbaren Energien würden nicht ausreichen, um die Schweiz vollständig mit Strom zu versorgen. Dieses Resultat mag in Teilen auf die suggestive Formulierung der Frage erklärt wegen können; zudem fehlt die zeitliche Dimension: Eine 100% erneuerbare Energieversorgung ist eine mittelfristige Zukunftsperspektive. Es bleibt damit weiterhin eine Aufgabe, der Bevölkerung aufzuzeigen, wie gross die Potenziale der erneuerbaren Energien sind – eine Aufgabe, der sich auch swisscleantech annimmt.

Die Umsetzung der Energiestrategie bleibt eine Herausforderung, auch das zeigt die Studie. Frappant ist der grosse Unterschied in der Akzeptanz der erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen Energien oder der Kernkraft. Allerdings bröckelt die Zustimmung etwas, sobald nach konkreten Projekten gefragt wird. Freiflächenanlagen erzeugen nach wie vor viel Widerstand – Windturbinen in Sichtweite ebenfalls. Der grösste Widerstand richtet sich aber gegen Gaskraftwerke in unmittelbarer Umgebung – nach Kernkraftwerken wurde gar nicht erst gefragt. Der «Not In My BackYard»-Effekt spielt hier nach wie vor sehr stark und betrifft alle Technologien.

 

Geben Sie an, ob Sie mit einer grossen Anlage für Solarstrom in den Bergen auf freien Wiesen einverstanden sind.

Quelle: gfs.bern | Versorgungssicherheit: Schlüsselmomentum für die Schweizer Energiepolitik

 

Geben Sie an, wie sinnvoll sie die Förderung erneuerbarer Energien im Inland zur Verhinderung einer Strommangellage halten.

Quelle: gfs.bern | Versorgungssicherheit: Schlüsselmomentum für die Schweizer Energiepolitik

 

Es tut sich ein Gegensatz mit viel Diskussionsbedarf auf, der uns noch länger beschäftigen wird: Versorgungssicherheit zu fordern und Energieversorgungsanlagen abzulehnen widerspricht sich diametral – auch unter Berücksichtigung der Interessen lokaler Gegner*innen. Güterabwägungen und Konsens bilden wesentliche Voraussetzungen zur Überwindung dieses Widerspruchs – Landschafts- und Denkmalschutz müssen so unter neuen Vorzeichen der Zeit gelesen werden: Die Wahrnehmung von Landschaft ist wandelbar und im Zuge des Klimawandels müssen Kulturgüter neu interpretiert werden.

Zusammenfassend steigt das Bewusstsein um die Bedrohungen des Klimawandels auch in der Schweiz – Unterschiede zeigen sich aber im (partei-)politischen Spektrum: Allgemein bürgerliche und spezifisch rechtsbürgerliche und rechtskonservative Kreise räumen dem Klimaschutz zu wenig Relevanz ein – dies ist nicht zuletzt auf Werte zurückzuführen, die es zu respektieren gilt. Hier muss angesetzt werden, um Notwendigkeit und Chancen der Energiewende aufzuzeigen.

Glücklicherweise könnte sich das scheinbare Dilemma zwischen Kosten und Klimatauglichkeit der Energieversorgung bereits in näherer Zukunft auflösen: Während erneuerbare Energien immer günstiger werden, steigen die Strompreise aus anderen Produktionstechnologien stetig an.

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