Frischer Wind in der Schweizer Energieversorgung


Während Jahren war die Entwicklung der Windenergie in der Schweiz praktisch blockiert. Die Diskussion um die Winterstromversorgung wirkt nun wie ein positiver Schock auf die eingefrorene Situation. Nachdem im Herbst das Parlament mit einem Dringlichkeitsgesetz den Weg für alpine Solaranlagen freimachte, wird nun ein ähnliches Gesetz für die Windenergie vorangetrieben. In einem Kommentar äussern sich sogar die Umweltverbände positiv; sie sind sich im Klaren: Der Klimawandel ist als Bedrohung so gewaltig, dass wir es uns nicht leisten können, sinnvollen Projekten zur Bereitstellung von erneuerbaren Energien Steine in den Weg zu legen.

Fotografie: Jason Blackeye

Aus der Perspektive des Rechtsstaates ist es bedauerlich, dass es eine globale Krise und ein Dringlichkeitsgesetz braucht, um die Windenergie auch in der Schweiz aus den Startlöchern zu bringen – sie ist eine wichtige Technologie für die sichere und erneuerbare Stromversorgung . Schuld sind wie so oft alle, an erster Stelle die Verfasser*innen von Einsprachen: Mit stellenweise irrwitzigen Argumenten versuchen sie, jedes Projekt Bewilligungsschritt für Bewilligungsschritt zu blockieren. Die Komplexität der Bewilligungsverfahren spielt ihnen dabei in die Hände: Zu viele Fälle überfordern die zuständigen Gerichte. Und auch die Förder*innen der Windenergie suchen zu spät das Gespräch mit der betroffenen Bevölkerung.

Das Bekenntnis zur Windenergie ist für swisscleantech bereits seit der ersten 2012 veröffentlichten Energiestrategie stark: Windturbinen produzieren zwei Drittel ihrer Produktion im Winter und das zu geringen Umweltkosten. Nach sauberer Analyse kann man sehr gut unterscheiden, welche Windturbinen auch aus der Perspektive der Biodiversität sinnvoll sind und welche nicht.

Dennoch blieb der Bau von Windenergieanlagen dermassen blockiert, dass in den letzten zehn Jahren nur rund 35 Megawatt an Leistung zugebaut wurde, was insgesamt etwa zehn modernen Windturbinen entspricht. Mit dieser Geschwindigkeit wird die Windenergie keinen substanziellen Anteil der Stromversorgung sicherstellen. Trotzdem zeigen auch unsere neuen Berechnungsmodelle: Windenergie ist für eine stabile Stromversorgung wichtig.

Wir begrüssen es daher sehr, dass das Parlament nun auch für die Windenergie ein dringliches Beschleunigungsgesetz auf den Weg bringt. Mit diesem Gesetz kann es gelingen, dass zahlreiche Projekte – die in der Abklärung bereits weit fortgeschritten sind und bei denen die grundsätzliche Abwägung zwischen Schutz und Nutzen bereits erfolgt ist – nun zügig realisiert werden können. Es ist auch erfreulich, dass das Gesetz in der nun vorliegenden Version deutlich verbessert wurde. So soll die dritte Stufe des Bewilligungsprozesses – die konkrete Baubewilligung – nicht mehr komplett gestrichen, sondern so eingeschränkt werden, dass nur noch Fragen von grundsätzlicher Natur an das Bundesgericht weitergezogen werden können. Dies wird die Prozesse erheblich beschleunigen.

Das vorliegende Beschleunigungsgesetz darf jedoch nicht zur Standardvorlage diverser Bewilligungsprozesse werden. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine saubere Auslegerordnung für jeden Bauentscheid braucht: Rechtsstaatlichkeit ist ein wichtiges Gut und die Interessenabwägung zwischen den in der Verfassung festgehaltenen Güter Biodiversität, Energiegewinnung und Landschaftsschutz ist ein ernst zu nehmendes Anliegen.

Es ist gleichzeitig nicht nachvollziehbar, weshalb Bewilligungsprozesse für Windturbinen zum Teil 20 Jahre dauern müssen. Nach einer sauberen Grundlagenanalyse und mit genügend grossen Kapazitäten bei den Gerichten ist es möglich, Windturbinen innerhalb einer deutlich kürzeren Frist zu bewilligen. Dies sollte auch die Anzahl der Einsprachen dramatisch reduzieren. Viele Einsprachen verfolgen in erster Linie einen Zweck: Den Bau der Anlagen so lange wie möglich zu verhindern. Werden die Prozesse beschleunigt, verliert dieses Spiel deutlich Anreiz, die Projekte werden schneller realisiert.

Mit Sicherheit gelingt es aber auch, den Bewilligungsprozess zu beschleunigen, wenn frühzeitig das Gespräch mit den Betroffenen gesucht wird. Hier besteht auf jeden Fall Verbesserungspotential. Sehr oft, so zeigen Erfahrungen im Ausland, wird die Realisierung erleichtert, wenn sich die Anrainer*innen in einem sogenannten Bürgerwindprojekt an der geplanten Anlage beteiligen können. 

Damit wir den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern rechtzeitig schaffen, braucht es aber auch ein gesellschaftliches Umdenken: Nichts wird unsere Lebensweise und auch unsere Landschaft so verändern wie der Klimawandel. Kompromisse im Landschaftsschutz sind notwendig, wenn wir die notwendigen Massnahmen rechtzeitig umsetzen wollen. Gleichzeitig war die Wahrnehmung der Landschaft immer einer kulturellen Wertung unterworfen. Wir sind zuversichtlich, dass in Zukunft die Windturbinen genau so positiv bewertet werden und zum Landschaftsbild gehören wie unsere Speicherseen – und als Zeichen des Fortschritts und der Unabhängigkeit gedeutet werden.