Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio sollen Medaillen aus Elektronikschrott an die Athleten vergeben werden. Das japanische Organisationskomitee stellte diese Idee jetzt den Regierungsbehörden und den Organisatoren vor. Japan verfügt nur über relativ wenige Mineralrohstoffe und sucht daher nach Möglichkeiten, die benötigten Edelmetalle möglichst nachhaltig zu gewinnen. Elektronikschrott aus elektronischen Geräten wie Mobiltelefonen, Computern und Tablets enthält wertvolle Rohstoffe, die meist eine höhere Konzentration an Edelmetall enthalten, als die Gesteine der natürlichen Lagerstätten.
Preisgünstig und umweltfreundlich
Für eine wirkungsvolle Wiederverwertung muss das Edelmetall Gold aus den Verbundmaterialien preisgünstig, aber vor allem auch umweltfreundlich herauslöst werden. Jason B. Love von der Universität von Edinburgh in Großbritannien und Kollegen haben nun eine chemische Verbindung identifiziert, die das Gold im aufbereiteten Elektronikschrott effizient und selektiv zurückgewinnen kann.
Dabei handelt es sich um eine einfache Stickstoffverbindung, ein so genanntes primäres Amid. Wie die Forscher zeigen, bilden sich aus negativ geladenem Goldchlorid und dem positiv geladenen Amid stabile Komplexe. Die Extraktion des Goldes verlief in zwei Phasen. Zunächst wurde das Gold aus einer salzsauren Lösung mittels einer organischen Substanz, die das Amid enthielt, ausgelöst. In der zweiten Phase wurde der Amid-Gold-Komplex aufgespalten und das Gold in einer wässrigen Lösung extrahiert. Die Forscher um Love betonten, dass für ihre Methode keine zusätzlichen Chemikalien erforderlich seien.
Traditionelle Goldgewinnung ist hochgiftig
Bei der traditionellen Gewinnung des Edelmetalls werden in der Regel hochgiftige anorganische Zyanide eingesetzt. Im sogenannten Leaching-Prozess wandeln sie unlösliches Gold sowohl aus Erzen als auch aus dem Elektronikschrott in wasserlösliche Goldzyanid-Komplexe um. Aus dieser goldhaltigen Flüssigkeit lässt sich durch weitere Reaktionsschritte das elementare Gold gewinnen.
Die große Gefahr: Zyanide sind Salze der Blausäure und damit hochgiftig. Bereits geringe Mengen der Substanz, die durch Atmung, Haut oder durch Trinkwasser in den Körper gelangen, führen zur Blockierung des Atemzentrums und können daher tödlich sein. Gelangt die Lösung durch Lecks oder absichtliches Ablassen in die Umwelt, birgt dies ein enormes Risiko. Viele bei der Goldgewinnung oder dem Recycling von Elektroschrott arbeitende Menschen in armen Regionen sind zudem dem Gift ohne Schutzausrüstung ausgesetzt.
Das von Love und Kollegen nun in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ vorgestellte Verfahren könnte einen wichtigen Beitrag zu einem umweltschonenden Extraktions- und Rückgewinnungsprozess des Edelmetalls darstellen.
Grenzen des Wachstums
Bereits 1972 ist der Club of Rome mit seiner Studie „Die Grenzen des Wachstums“ von einer baldigen weltweiten Verknappung der Rohstoffe ausgegangen. Bei dieser umfangreichen Studie über die Grenzen des Wachstums ergaben sich folgende zentrale Schlussfolgerungen: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.
Um einer Verknappung in der Zukunft entgegenzuwirken, muss die Wiederverwertung der heute verwendeten Materialien unbedingt intensiviert werden. Wenn man zugrunde legt, dass allein Gold in Elektroschrott in 80-mal höherer Konzentration vorliegt, als in den natürlichen Lagerstätten, kann man den wirtschaftlichen Wert einer ungefährlichen, weil ungiftigen Wiederverwertung ermessen.
Elke Bunge