Neustart in der Schweizer Klimapolitik

Ohne Zweifel: swisscleantech war sehr enttäuscht darüber, dass es nicht gelungen ist, die Schweizer Bevölkerung davon zu überzeugen, dass das CO2-Gesetz ein nötiger und wichtiger Schritt für den Klimaschutz in der Schweiz dargestellt hätte. Doch Abstimmungen werden gewonnen und verloren; wichtig ist es in beiden Fällen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und im Anschluss den Blick nach vorne und damit auf Lösungen zu richten. Und so wich der Frust schon bald einer positiven Trotzreaktion: Jetzt erst recht, heisst es bis heute!

 

Das Jahr 2021 stand ganz im Zeichen der Klimapolitik: Gleich zum Jahresbeginn ergriff die SVP gemeinsam mit der Ölindustrie das Referendum gegen das CO2-Gesetz. Darauf waren wir vorbereitet – swisscleantech hatte bereits im Sommer 2020 gemeinsam mit Partnerverbänden mit dem Aufbau einer breiten Wirtschaftsallianz für den Abstimmungskampf begonnen.

Mit vereinten Kräften konnten wir so einen sehr engagierten Abstimmungskampf für das CO2-Gesetz führen und die vielen Vorteile des Gesetzes aufzeigen aber auch die Argumente der Gegner*innen entkräften – die Sorgen der Hauseigentümer*innen beispielsweise nahmen viel Raum ein, konnten aber konstruktiv adressiert werden. Mit den Schutzmassnahmen vor dem Coronavirus galt es auch im Abstimmungskampf, neue Formate zu erproben, darunter virtuelle Brownbag-Info-Lunches für Mitarbeiter*innen unserer Mitgliederunternehmen und -verbände – sie fanden grossen Anklang.

Neue Wege nach dem Nein zum CO2-Gesetz

Das CO2-Gesetz wurde abgelehnt, der knappe Ausgang bleibt ein schwacher Trotz und ohne realpolitische Wirkung. Uns allen war mit dem Nein am 13. Juni wohl bewusst: Diese wichtige Abstimmung ist verloren, und doch müssen wir der Klimakrise mit neuen Kräften und Lösungen begegnen. Trotz grosser Enttäuschung trauerten wir so dieser verpassten Chance nicht weiter nach und machten uns an die Analyse: Rückblickend stellten wir so früh fest: Die Kostenfrage war zentral und musste beantwortet werden; ein sachlicher Zugang reicht aber nicht aus – die strategische Emotionalisierung und Inszenierung des Politischen zeichnete sich im Abstimmungskampf als Erfolgsfaktor aus – leider auch auf Kosten der Pro-Argumente und der Sachlichkeit – um nicht zu sagen, der Wahrheit. Sehr für zogen wir so diese und weitere Lehren aus unserer Analyse der Abstimmungsniederlage und brachten als einer der ersten Verbände neue und konkrete Initiativen in den öffentlichen und politischen Diskurs ein und diese mit verschiedenen Stakeholdern vertieft – mit Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft, Parlamentarier*innen oder Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Wie diese Initiativen ihren Weg in die Praxis finden, zeigt beispielhaft der swisscleantech-Ansatz zu einem klimatauglichen Schweizer Gebäudepark: Nach umfangreichen Diskussionen und Abklärungen an den Scharnierstellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung beteiligten sich sowohl die Kantone Bern und Zürich wie auch die Städte Bern und Luzern an einem Pilotprojekt in Bern, um die Finanzierung von Gebäudemodernisierung neu zu gestalten und so bestehende Gebäude beschleunigt auf Energieeffizienz zu trimmen.

Die Frage nach der Schweizer Stromversorgungssicherheit gewinnt an Dringlichkeit

Der klimapolitische Diskurs blieb auch in der zweiten Jahreshälfte von einer Orientierungslosigkeit nach dem Nein zum CO2-Gesetz geprägt, die zunehmend  von der Frage nach der Schweizer Stromversorgungssicherheit überlagert wurde. Diese Sorgen um eine drohende Strommangellage adressierten wir mit einem Massnahmenkatalog, der Versorgungslücken auch in Zukunft vermeidet, kostengünstig erneuerbare Energien fördert und die Forderung nach neuen Kernkraftwerken entkräftet. Mit der  Winterstromauktion zeigen wir zudem auf, wie der Ausbau der Produktionskapazitäten für erneuerbaren Strom effektiv gefördert werden kann –mittlerweile ein fester Bestandteil der Debatte.

Klimapolitischer Neustart auf vielen Gesetzesebenen

In der zweiten Jahreshälfte 2021 hat sich auch mit Blick auf die von uns begleiteten Gesetzesvorlagen einiges getan: Die parlamentarische Initiative Girod zur Schliessung einer möglichen Förderlücke für den Ausbau der erneuerbaren Energien wurde verabschiedet, der Eintritt der Gletscher-Initiative in die parlamentarische Phase ist erfolgt und der Bundesrat hat die Vernehmlassung für das neue CO2-Gesetz eröffnet. Als Unterstützerin der Gletscher-Initiative begleiten wir die Beratungen inklusive Gegenvorschlägen eng, haben auch eine Ersteinschätzung zur ungenügenden Vorlage des Bundesrates zum neuen CO2-Gesetz abgegeben und die parlamentarische Initiative Girod als wichtig für die Planungs- und Investitionssicherheit gewürdigt, für die weiteren Beratungen aber marktnahere Ansätze gefordert, damit der Zubau von erneuerbaren Energien zu möglichst günstigen Konditionen erfolgen kann.

Zusammenfassend war das Jahr doch so viel mehr als Abstimmungskampf und Enttäuschung rund um das CO2-Gesetz, exemplarisch dafür die Vielfalt an Vernehmlassungen, die wir gemeinsam mit unseren Mitglieder über das ganze Jahr hinweg prägten: . Zu den grösseren gehörten unter anderem, die Vernehmlassung zur Strategie Nachhaltige Entwicklung, die Vernehmlassung zum Gesetz für Pilotprojekte zu Mobility Pricing, die Vernehmlassung zum Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative oder die Vernehmlassung zur Revision des Europäischen Emissionshandelssystems. Weiter begleiteten wir auch aktiv den Ratifizierungsprozess der Interkantonalen Vereinbarung über das neue öffentliche Beschaffungswesen durch die Kantone oder das Zürcher Energiegesetz – dessen klare Annahme hat gezeigt, dass eine wirksame Klimapolitik möglich bleibt

In diesem Zusammenhang darf auch die parlamentarische Gruppe Cleantech hervorgehoben werden: Sie ermöglicht den Wissenstransfer zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik und weiss, wie eine ambitionierte und griffige Klimapolitik vorangetrieben wird. Neben zahlreichen weiteren Neuzugängen durften wir 2021 insbesondere Nicolo Paganini (Nationalrat Die Mitte) als neuen Co-Präsidenten neben Barbara Schaffner und Susanne Vincenz-Stauffacher begrüssen.

Wir danken unseren Mitgliedern und all unseren Partner*innen in Politik, Verwaltung und Wissenschaft, die sich weiterhin optimistisch und konstruktiv für eine gelungene Schweizer Klimapolitik engagieren!

Ein Beitrag aus dem Jahresbericht
Zum Jahresbericht 2021