Wie wir die ­Mobilität in der Schweiz CO2-frei gestalten

Trends bei der ­Dekarbonisierung des Sorgenkinds der Klimapolitik

In beiden wesentlichen Bereichen zur Reduktion der Emissionen im Individualverkehr besteht Aufholbedarf: Bei der Verknüpfung der Verkehrsträger gibt es weiterhin Luft nach oben, während die Elektrifizierung noch in den Kinderschuhen steckt.

Der Güterverkehr steht ebenfalls vor grossen Herausforderungen – die Zulassungszahlen der E-LKWs und verschiedene Pilotprojekte von Mitgliedern rund um die Letzte Meile stimmen aber zuversichtlich. In der Arbeitsgruppe Grüne Logistik behandelten wir gemeinsam mit führenden Unternehmen der relevanten Branchen die Dekarbonisierung des Güterverkehrs: Dazu gehörte 2024 die Revision der LSVA und die Förderung von alternativen Antrieben, die flächen- und energieeffiziente Logistik sowie die effektive und klimaneutrale Letzte Meile.

Der Verkehr ist ein grosses Sorgenkind der Schweizer Klimapolitik, denn die Emissionen stagnieren auf hohem Niveau: Stiess der Verkehr in der Schweiz 1990 noch knapp 15 Millionen Tonnen CO2 aus, waren es 2022 noch immer knapp 14 Millionen. Doch mit dem Ja zum Klimagesetz im Juni 2023 ist klar: Die Verkehrsmissionen müssen bis 2040 um 57 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent reduziert werden. Auf die Schweizer Mobilität kommen in den nächsten Jahren also grosse klimapolitische Herausforderungen zu.

Gregory Germann
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Wie wir den Autoverkehr rasch elektrifizieren

Im Personenverkehr braucht es einen breiten Mix an Massnahmen, um die Emissionen zu senken. Neben einer stärkeren Verlagerung auf den öffentlichen und den Langsamverkehr sowie einer klugen Verknüpfung der diversen Verkehrsträger ist die rasche Elektrifizierung des Autoverkehrs eine zentrale Massnahme. Und doch hatte die positive Entwicklung der letzten Jahre 2024 einen kleinen Rückschlag erlitten: Im Vergleich zum Vorjahr waren die Neuzulassungen von Elektro- und Plug-in-Hybrid-Autos in der Schweiz rückläufig. Doch Besserung ist in Sicht: Anfang 2024 wurde das revidierte CO2-Gesetz verabschiedet; die damit beschlossene deutliche Verschärfung der CO2-Zielwerte für Neuwagenflotten ab 2025 werden der Elektrifizierung einen grossen Schub verleihen. Zudem kommen von verschiedenen Herstellern laufend neue Modelle für unter 30’000 Franken auf den Markt. Dies macht die Elektromobilität auch für die breite Bevölkerung immer zugänglicher.

Vorstoss für Ladeinfrastrukturen am Wohnort

Ein grosses Hindernis bleibt aber vorerst bestehen: Mieter*innen und Stockwerkeigentümer*innen in der Schweiz sind aktuell vom Wohlwollen der Vermieter*innen abhängig, um eine Ladeinfrastruktur am Wohnort zu installieren. In einem Land wie der Schweiz, in dem knapp 60 Prozent der Bevölkerung im Mietverhältnis lebt, hat das einen direkten negativen Effekt auf die Nachfrage nach E-Autos. Ein Vorstoss von GLP-Nationalrat Jürg Grossen widmet sich diesem Missstand und hat zum Ziel, entsprechende Hürden abzubauen. swisscleantech hat sich dazu gemeinsam mit weiteren Akteuren 2024 erfolgreich eingesetzt, sodass die Motion im Sommer 2024 vom Nationalrat angenommen wurde. Eine Annahme auch durch den Ständerat würde der Elektrifizierung des Autoverkehrs einen wichtigen zusätzlichen Schub verleihen.

Gleich lange Spiesse im Güterverkehr mit klarer LSVA-Regelung

Auch beim Güterverkehr spielt die Elektrifizierung der Fahrzeuge eine zentrale Rolle. Hier zeigt der Trend der letzten Jahre klar in eine Richtung: Hatten 2022 noch 4.7 Prozent der neu zugelassenen Lastwagen einen Elektroantrieb, waren es 2023 bereits 8.5 Prozent – und 2024 wiederum 11.4 Prozent. Die Befreiung von der LSVA (leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe) für elektrisch angetriebene Lastwagen treibt diese Entwicklung entscheidend voran. Deren Revision für die Zeit nach 2031 wurde 2024 angestossen. swisscleantech hat sich mit der Arbeitsgruppe Grüne Logistik mit einer Stellungnahme aktiv eingebracht: Während es begrüssenswert ist, dass elektrisch angetriebene LKW langfristig ebenfalls der LSVA-Pflicht unterstehen und so mehr zur Deckung ihrer verursachten Kosten beitragen, muss sichergestellt werden, dass die neue Regelung den Markthochlauf der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge nicht ausbremst. Dies könnte beispielsweise durch eine Kombination aus Rabattsystem und Investitionsbeiträgen geschehen.

Doch parallel zu den positiven Entwicklungen bei den Lastwagen ist zu erkennen, dass die Ausnahme von der LSVA-Pflicht für Fahrzeuge mit einem Gewicht unter 3.5 Tonnen dazu führt, dass eine gewisse Verlagerung von schweren Lastwagen auf leichte Fahrzeuge wie Lieferwagen stattfindet. Dies zeigte sich in den letzten Jahren in der vergleichsweisen hohen Zunahme an Neuzulassungen von Lieferwagen, die knapp unter der Gewichtsgrenze liegen.

Diese Entwicklung schadet einer flächeneffizienten Versorgung und Entsorgung – insbesondere in den Städten. Diese Verlagerung wäre für den Klimaschutz weniger problematisch, wenn gleichzeitig die Elektrifizierung der Lieferwagen schnell vorankäme. Stattdessen waren die Neuzulassungen von E-Lieferwagen 2024 im Vergleich zum Vorjahr aber stark rückläufig – nicht zuletzt weil ein E-Lieferwagen aufgrund der Batterie zwar etwas mehr als 3.5 Tonnen wiegen darf, jedoch für die Fahrer*innen die gleichen Fahr- und Ruhezeitregelungen gelten wie bei Lastwagen. Diese sind deutlich strenger als bei Lieferwagen und setzen so einen negativen Anreiz zur Beschaffung von E-Lieferwagen. Um die Elektrifizierung der Lieferwagen wieder voranzutreiben, wird sich swisscleantech mit Partner*innen dafür einsetzen, dass gleich lange Spiesse für alle gelten – dazu gehört auch die Prüfung einer LSVA-Pflicht für Fahrzeuge unter 3.5 Tonnen.

Parallel dazu wurde mit einem engen Kreis von Mitgliedern eine Sharing-Lösung für die gegenseitige Zurverfügungstellung der Ladeinfrastruktur vorangetrieben. Die Ziele der Sharing-Lösungen sind vielfältig: Zum einen haben die Unternehmen Zugang zu mehr Lademöglichkeiten, zum anderen kann die eigene Ladeinfrastruktur stärker ausgelastet werden – was sich positiv auf die Amortisation der getätigten Investitionen auswirkt.