Für Bertrand Piccard ist der Fall klar: Die sauberen Technologien sind kein Ding der Zukunft, sondern Gegenwart. „Für Solarimpulse haben wir die Technologie der Gegenwart verwendet, und trotzdem konnten wir ohne Emissionen, ohne Lärm fast unendlich lange fliegen“, sagte der Flugpionier, Gründer der Stiftung Solarimpulse und Ehrenpräsident von swisscleantech in einer Videobotschaft zur Veranstaltung „2 Jahre nach Paris – Entwicklungen, Strategien und Lösungsansätze für die Klimapolitik“ am 29. November in Bern. Saubere Technologien seien nicht ökologisch, sondern schlicht logisch. Sie helfen Jobs zu schaffen, Gewinne zu sichern und Wachstum zu schaffen, so Piccard. „Aber ich bin pessimistisch, wenn ich sehe, wie lange die Technologien zu ihrer Umsetzung brauchen.“ Das habe auch mit den politischen Vorgaben zu tun. „Es braucht einen ehrgeizigen rechtlichen Rahmen, um die Innovationen umzusetzen.“
Kleine Fortschritte am Klimagipfel
Die Schaffung eines solchen rechtlichen Rahmens für die Welt braucht Zeit, Ausdauer und Verhandlungsgeschick, wie das Referat von Dina Spörri zeigte. Die stellvertretende Leiterin der Schweizer Delegation bei den Klimaverhandlungen ging auf den Stand, die Herausforderungen und Ziele der internationalen Klimapolitik zwei Jahre nach Paris ein. Der Pariser Klimagipfel 2015 sei ein Erfolg gewesen, weil es die Teilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer aufgebrochen und ein umfassendes, dauerhaftes, robustes und rechtlich verbindliches Abkommen hervorgebracht habe. Nun gehe es darum, das Abkommen auch in verbindliche Regeln für alle Länder umzusetzen. Der Klimagipfel in Bonn im November habe dabei einige Fortschritte gebracht. So konnte man sich auf den Umfang und den wesentlichen Inhalt der künftigen Regeln einigen sowie die Modalitäten des sogenannten Talanoa-Dialogs festlegen. Dieser Dialog war bereits auf dem Pariser Klimagipfel für 2018 als erste Bestandsaufnahme der klimapolitischen Massnahmen der Vertragspartner vereinbart worden.
Zu den Knacknüssen der Klimaverhandlungen gehört laut Spörri derzeit die unklare Rolle der USA nach der Ankündigung von Präsident Donald Trump, sein Land aus dem Klimaabkommen zurückziehen zu wollen. Aber auch die alte Trennung in Industrie- und Entwicklungsländer komme immer wieder in verschiedenen Formen auf den Verhandlungstisch. Nun sollen am nächsten Klimagipfel im polnischen Kattowitz 2018 die Umsetzungsrichtlinien des Klimaabkommens endgültig verabschiedet werden.
Verbindliche Inlandziele treiben Innovation
Aber auch in der nationalen Klimapolitik wird noch kräftig gebremst, wie eine Diskussion von swisscleantech-Geschäftsführer Christian Zeyer und Beat Ruff, stellvertretendem Leiter Infrastruktur, Energie und Umwelt der economiesuisse, gezeigt hat. Ruff bestand darauf, dass bei der bevorstehenden Revision des CO2-Gesetzes keine verbindlichen Inlandziele für die CO2-Reduktion verabschiedet werden sollen. economiesuisse stehe hinter dem Ziel der Schweiz, den CO2-Ausstoss bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Aber der grössere Wirtschaftsdachverband lehne eine verbindliche Unterteilung in einen Inland- und einen Auslandsteil ab. Die Emissionen sollten dort reduziert werden, wo es am günstigsten sei, so Ruff. Und das sei oft im Ausland. Man solle die „niedrig hängenden Früchte“ zuerst pflücken.
Christian Zeyer widersprach. Heute ständen der Gebäudebereich und der Verkehr für einen wesentlichen Teil des CO2-Ausstosses. Doch gerade in diesen Bereichen seien die Erneuerungszyklen lang und zudem würden die Kosten oft falsch berechnet. „Deshalb braucht es verbindliche Vorgaben jetzt.“ Er verwies auch darauf, dass anspruchsvolle aber realistische Inlandziele die Innovation fördern und eine wirtschaftsfördernde Wirkung haben. Für die Firmen der Effizienzwirtschaft sei diese eine grosse Chance. Ausserdem kann sichergestellt werden, dass die Schweiz ihre Hausaufgaben erledigt. „Die Unternehmen sagen uns, dass sie einen Schweizer Heimmarkt brauchen, um im Ausland agieren zu können.“
Die Klugen gehen voran
Wie sehr klare Vorgaben helfen können, den CO2-Ausstoss zu verringern, zeigte Stefan Vannoni. Der Direktor von Cemsuisse verwies darauf, dass sein Verband 2003 als erster eine Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen habe. Seither hätten die Schweizer Zementhersteller ihren CO2-Ausstoss um 62 Prozent gesenkt. „Und es gibt noch Luft nach unten.“ Auch Wolfgang Schwarzenbacher sprach sich für klare Vorgaben aus. „Die Technologie geht in Richtung Effizienz“, sagte der Chef von ENGIE Schweiz und Vorstandsmitglied von swisscleantech. „Erneuerbare Lösungen müssen heute keinen Vergleich mehr scheuen.“ Aber es gebe noch einiges zu tun. So nutzten viele Industrieunternehmen noch nicht das Potential von Abwärme. „Es braucht Inlandziele“, so seine Schlussfolgerung. Auch aus der Sicht der Architektin Tanja Rösner von aardeplan in Baar braucht es staatliche Vorgaben. Das Bewusstsein des Sinns und der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit sei noch nicht bei allen Bauherrschaften angekommen. „Daher braucht es Gesetze.“
Vorausschauende Unternehmen gehen voran. So bezieht die AXA Winterthur einen Teil ihres Strombedarfs vom Windpark auf dem Mont Crosin. Die Versicherung ist an diesem grössten Windpark in der Schweiz beteiligt. AXA habe sich auch von Anfang an für die Energiestrategie 2050 ausgesprochen, wie Thomas Hügli sagte, der Chief Sustainability Officer der Versicherung. Und die Schweizer Postboten tragen die Post seit Anfang 2017 nur noch mit Elektrorollern aus, wie Anne Wolf sagte, die Leiterin Corporate Sustainability. Mehr noch: Alte Batterien der Elektroroller erhalten bei der Post ein zweites Leben. Sie speichern nun im umgebauten Postgebäude von Neuenburg den Sonnenstrom vom Dach.
Viele Unternehmen haben verstanden, was Bertrand Piccard sagt: „Es geht nicht darum, dass die Schweiz die Welt retten soll“, so der Flugpionier in seiner Botschaft. „Sondern es geht darum, ob die Schweiz ihre eigene Wirtschaft und ihre eigene Industrie retten kann.“