Milchkuh-Initiative: Argument der externen Kosten


Die Initianten der Milchkuh-Initaitive behaupten, die Automobilisten seien die Milchkühe der Nation. Eine Betrachtung sämtlicher Kosten des Strassenverkehrs zeigt aber, dass die Allgemeinheit für den Grossteil dieser Kosten aufkommt.

Von den Medien wird dieses Argument der externen Kosten als halbrichtig eingestuft (z.B. Tages-Anzeiger vom 7.Mai 2016[1]). Im Folgenden werden deshalb die aktuellsten Zahlen und die Berechnung der externen Kosten dargestellt.

 

Was sind externe Kosten?
Ein Teil der Verkehrskosten ist für die Verkehrsteilnehmenden direkt spürbar, beispielsweise die Benzinkosten. Mit der Bezahlung von Benzin übernimmt der Verkehrsteilnehmende direkt einen Teil der von ihm verursachten Kosten. Durch das Tanken ergeben sich zudem Mineralölsteuereinnahmen, die teilweise für Unterhalt, Betrieb und Bau von Strassen eingesetzt werden. Diese direkt bezahlten Kosten nennt man interne oder private Kosten.
Daneben gibt es aber auch Kosten, die zwar durch den Verkehr verursacht werden, aber wofür die Verkehrsteilnehmenden nicht direkt bezahlen müssen. Typischerweise sind dies die externen Umwelt-, Unfall- und Gesundheitskosten. Verkehrslärm beispielsweise beeinträchtigt die Lebensqualität und die Gesundheit von Menschen, die in Verkehrsnähe wohnen. Dies kann indirekte Kosten in Form von Krankheiten und Spitalaufenthalten zur Folge haben. Dies sind die externen Kosten des Verkehrs.

Berechnung von externen Kosten
Zur Berechnung der externen Kosten gibt es verschiedene Studien. Die aktuellsten Zahlen liefert eine Studie des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE)[2] mit Daten von 2012. Sie berechnet die externen Kosten in 12 Bereichen[3], weist jedoch darauf hin, dass es weitere Kostenbereiche gibt, die nicht quantifiziert werden können. Insgesamt belaufen sich ihre Berechnungen auf 9.8 Milliarden CHF externer Kosten des Schweizer Verkehrssystem im Jahr 2012. Davon verursachte der Strassenverkehr mit 81% knapp 8 Milliarden CHF den Grossteil dieser Kosten. Die höchsten externen Kosten fallen in den Bereichen Klima, Lärm, Unfälle und luftverschmutzungsbedingte Gesundheitsschäden mit je 1.8 bis 2.2 Milliarden CHF an. Vergleicht man die Zahlen mit einer Studie[4], die auf Daten von 2010 beruht und dieselben Kostenbereiche abdeckt, wird deutlich, dass die externen Kosten im Verkehr angestiegen sind. Für das Jahr 2010 kam man auf eine Gesamtsumme der externen Kosten von 9.4 Milliarden CHF. Hauptverursacher war ebenfalls der motorisierte private Personenverkehr auf der Strasse mit Kosten von 5.5 Milliarden CHF.

Auch das Bundesamt für Statistik (BFS) publizierte letztes Jahr eine Studie zu den Kosten und Finanzierung des Verkehrs (KFV-Statistik) mit Daten von 2012.[5] Wie auch das ARE betrachtet das BFS jene externen Kosten, welche ausserhalb des jeweiligen Verkehrsträgers anfallen (Sicht Verkehrsträger). Die KFV-Statistik unterscheidet vier Typen von verkehrsbedingen Umwelt- und Gesundheitskosten: Luft, Lärm, Klima und Übrige[6]. Diese sind beinahe deckungsgleich mit den vom ARE berücksichtigten Kostenbereichen. Das BFS kommt zum Schluss, dass der private motorisierte Personenverkehr auf der Strasse 2012 mit 11.4 Milliarden CHF den Hauptanteil der gesamten Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten auf Strasse und Schiene verursachte. 5.7 Milliarden CHF, also nahezu die Hälfte davon, wurden von der Allgemeinheit getragen und sind demnach externe Kosten.

Debatte um die Raumkosten
Die externen Kosten für den Raumbedarf sind bei den Berechnungen zwingend zu berücksichtigen. In den oben genannten Studien sind diese in den Natur-und Landschaftskosten enthalten. Einerseits wurden externe Kosten durch Habitatsverluste (Flächenverbrauch und die negativen Folgen für Ökosysteme und Biodiversität) ermittelt, andererseits die externen Kosten durch Habitatsfragmentierung (Trennwirkungen für Tiere). Dabei wurde, nach umfassenden Flächenanalysen, der gesamte Flächenverbrauch von Strasse (und auch Schiene) berücksichtigt.[7]

ETH-Professor Gunzinger[8] geht noch einen Schritt weiter und erstellt Schätzungen für den Raumbedarf, wenn die Benutzer des öVs auf den privaten Strassenverkehr umsteigen würden. Dies spielt insbesondere für en Pendlerverkehr eine grosse Rolle. Ein Auto beanpsrucht zwischen 67 m2 (bei Tempo 30) und 267 m2 (bei Tempo 120)[9]. Würden alle Passagiere eines gefüllten Zürcher Cobra-Trams das Auto nehmen, dann hätten sie einen Strassenbedarf von mehr als 4 km Länge. Dies entspricht etwa 111 Cobra-Trams. Obwohl das Auto in dicht besiedelten Gebieten wie der Stadt Zürich nur 25% der Personen transportiert, braucht es 76% der gesamten Mobilitätsfläche. Der öffentliche Verkehr hingegen benötigt etwas mehr als 20% und ist zuständig für 50% der Passagiertransporte.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen würden die externen Kosten des Verkehrs sogar noch höher ausfallen.

Unsicherheiten
Von Medien und Politikern werden die offiziellen externen Folgekosten des Verkehrs vielfach nur als halbrichtig klassifiziert. Dadurch verliert das Argument der externen Kosten zu Unrecht an Glaubwürdigkeit. Dass externe Kosten nicht unkompliziert zu berechnen sind, wissen auch die Experten und haben demzufolge Schwankungsbreiten in ihre Berechnungen einbezogen. Generell sind die offiziellen Zahlen eher eine Unter- als eine Übertreibung.

Quellenangabe und Links zu weiteren Informationen
[1] Tages-Anzeiger vom 7.Mai 2016: Der Faktencheck zur «Milchkuh-Arena» oder auch Sonntagszeitung vom 8.Mai 2016 (nur Print)
[2] Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) (2016): Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz. Strassen-, Schienen-, Luft- und Schiffverkehr 2010 bis 2012.
[3] Luftverschmutzungsbedingte Gesundheitsschäden, Gebäudeschäden, Ernteausfälle, Waldschäden, Biodiversitätsverluste; Lärm; Klimaerwärmung; Natur- und Landschaftskosten; Bodenschäden durch toxische toffe; Belastungen aus vor- und nachgelagerten Prozessen; Unfälle; Zusatzkosten in städtischen Räumen
[4] Ecoplan / Infras (2014): Externe Effekte des Verkehrs 2010. Monetarisierung von Umwelt-, Unfall- und Gesundheitseffekten. Kurzfassung.
[5] Bundesamt für Statistik (BFS) (2015): Kosten und Finanzierung des Verkehrs. Strasse und Schiene 2012.
[6] Mit „Übrige“ sind beispielsweise Habitatsverluste und –fragmentierungen durch Verkehrsinfrastrukturen, Bodenschäden durch toxische Stoffe, diverse Umwelt- und Gesundheitskosten durch dem eigentlichen Verkehr vor- und nachgelagerte Prozesse (z.B. Bau und Entsorgung von Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur) gemeint.
[7] Die Kosten für den Landerwerb sind keine externen Kosten, sondern Teil der Verkehrsprojekte und bereits bei den Infrastrukturkosten abgedeckt.
[8] Gunzinger, Anton (2015): Kraftwerk Schweiz. Plädoyer für eine Energiewende mit Zukunft. Zytglogge Verlag. (Kapitel 26)
[9] Zum Vergleich: Ein Fussgänger benötigt 1 m2 Platz und Velofahrer 10 m2. (siehe Gunzinger: 2015, Kapitel 26)