Neue Modelle für die Finanzierung von Gebäudemodernisierungen


In der Schweiz werden zu wenig Gebäude energetisch saniert. Das ist fürs Klima und für den Werterhalt der Immobilien schlecht. Es braucht einen neuen Ansatz zur Finanzierung der Gebäudemodernisierung.

Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral werden, das verlangt das Pariser Klimaabkommen und ist vom Bundesrat unlängst bekräftigt worden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jährlich 3 Prozent der Gebäude energetisch saniert werden. Die Quote liegt aber seit Jahren unter 1 Prozent. Bei diesem Tempo dauert es bis ins 22. Jahrhundert, um den gesamten Gebäudepark klimatauglich zu machen.

Verzichten Hausbesitzer darauf, ihre Gebäude klimaneutral zu modernisieren, laufen sie Gefahr, dass der Verkaufswert ihrer Immobilien sinkt. Dies ist nicht nur fürs Klima schlecht, da Wohneigentum einen Grossteil des privaten Vermögens ausmacht.

Immobilienbesitzer*innen lassen die energetischen Massnahmen aus unterschiedlichen Gründen bleiben. Zum einen sind die einmaligen Investitionen erheblich. Zum anderen haben Fenster, Fassaden und Dächer eine Lebensdauer von 30 Jahren und mehr. Doch viele Hausbesitzer*innen kalkulieren nur für 10 bis 15 Jahre, und in dieser kurzen Betrachtung lohnt sich die Modernisierung häufig nicht. Über den gesamten Lebenszyklus gerechnet zahlen sich die Investitionen aber sehr wohl aus. Das zeigt das Beispiel einer Siedlung mit mehreren Mehrfamilienhäusern, das das Beratungsunternehmen BS2 AG nachgerechnet hat.

Ausweg aus dem Dilemma
Was braucht es, um aus diesem Dilemma herauszukommen? Zusammen mit Expert*innen aus der Bau- und Finanzwirtschaft hat swisscleantech einen neuen Ansatz zur Finanzierung von Gebäudemodernisierungen entwickelt.

Die Idee ist, dass Bauherrschaften, die bereit sind, ihre Liegenschaften energetisch zu modernisieren, ein langfristiger Kredit zur Verfügung gestellt wird. Das Geld muss für energetische Investitionen in Gebäudehülle und -technik verwendet werden, die eine lange Lebensdauer haben. Die Gelder für diese Darlehen stammen von Versicherungen, Pensionskassen und Banken. Um die Risiken für die Geldgeber*innen zu minimieren, übernimmt der Staat das Ausfallrisiko, das durch die längere Laufzeit des Kredits entsteht. Im Gegenzug profitiert der Staat, weil es gelingt, im Gebäudesektor die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

Kredit über den gesamten Lebenszyklus
Bei einer solchen Finanzierung gehen die Hauseigentümer*innen einen langfristigen Vertrag ein und verpflichten sich, jährlich einen fixen Beitrag für Amortisation und Zins zu bezahlen. Gegenüber klassischen Hypotheken besteht dabei ein zentraler Unterschied: Der Kredit wird über den ganzen Lebenszyklus der Investition zurückbezahlt. Dadurch sichern sich die Hauseigentümer gegen Schwankungen der Energiepreise und steigende CO2-Abgaben ab und machen ihre Gebäude für die Zukunft fit. Finanzinstituten gelingt es, ihre Gelder langfristig und klimawirksam anzulegen, was bei den anhaltenden Tiefstzinsen besonders relevant ist.

Umfangreiche Stakeholder-Diskussionen und weiterführende Abklärungen
Diese 2019 lancierte Idee wurde mit zahlreichen Fachleuten und politischen Stakeholdern diskutiert. Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen hat sich swisscleantech 2020 entschlossen, das Projekt weiter zu verfolgen. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern wird seit April 2020 überprüft, wie die konkrete Ausgestaltung eines solchen Fonds aussehen könnte. Dazu müssen nicht nur wirtschaftliche Fragen geklärt werden; es muss auch im Detail untersucht werden, welche Rechte und Pflichten die Beteiligten übernehmen. Die Diskussionen haben die Voraussage bestätigt, dass solche langfristigen Kredite nur realisiert werden können, wenn der Staat bereit ist, langfristige Risiken zu übernehmen. Eine solche Risikoübernahme macht Sinn, weil es ein noch grösseres volkswirtschaftliches Risiko darstellen würde, wenn wir unseren Gebäudebestand nicht rechtzeitig so umgestalten können, dass er CO2-neutral betrieben werden kann.

Pilotprojekt in der Region Bern
Erste Risikokalkulationen, die im Zusammenhang mit dem Projekt durchgeführt wurden, zeigen auf, dass das Baurisiko, das der Staat übernimmt, relativ klein ist. So ist denn auch das Interesse von staatlicher Seite erheblich. Sowohl die Kantone Bern und Zürich wie auch die Städte Bern und Luzern beteiligen sich an den Projektkosten. Im Juli 2021 wurde ein Vorprojekt abgeschlossen und ein entsprechender Schlussbericht publiziert.

Nun gilt es in weiteren Schritten die Details zu klären. Dazu werden zusammen mit der Hochschule Luzern drei weiterführende Projekte in Angriff genommen. Unter dem Patronat der Stadt Bern soll mit interessierten Hauseigentümer*innen das Konzept exemplarisch durchgespielt werden, wobei die Risikoabsicherung nicht durch die Stadt übernommen wird, sondern durch den Ökofonds. In Zusammenarbeit mit dem Kanton Luzern wird parallel dazu abgeklärt, welche Möglichkeiten bestehen, um solche Risikoabsicherungen in kantonalen Gesetzen zu verankern. Weitere wichtige Untersuchungen folgen im Rahmen des InnoSuisse Forschungsprojektes «RENOWAVE». Dabei soll unter anderem die Marktakzeptanz untersucht und ein Risikomodell erstellt werden. Berücksichtigt werden sollen nicht nur die klassischen Ausfallrisiken sondern auch systemische Risiken wie zum Beispiel ein starker Anstieg der Inflation.

 

Mehr Informationen zum Modernisierungsfonds stehen in der Form einer Kurzversion, eines Konzeptpapiers und einer Kurzpräsentation zur Verfügung.

 

Lesen Sie dazu auch den Artikel im Tages-Anzeiger:
Zum Artikel «Hilfe für Hausbesitzer – Bern testet neues Modell für Energiewende»

Ein Beitrag aus dem Jahresbericht
Zum Jahresbericht 2021