Potenzial der Sonnenenergie wird unterschätzt


Berlin - Das Potenzial der Solarenergie wurde jahrelang deutlich unterschätzt. Mittlerweile ist sie deutlich schneller gewachsen als vorhergesagt. Bis 2050 könnte sie weltweit sogar 30 bis 50 Prozent des Strombedarfs decken, so eine Studie in „Nature Energy“.

News
von swisscleantech
30.08.2017

Jüngste Forschungen zeigen, dass der Weltklimarat IPCC sich bei Prognosen zur Energiegewinnung geirrt hat und möglicherweise Chancen zur Vermeidung der Klimaerwärmung leichtfertig vergeben könnte. Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsarbeit des in Berlin ansässigen Mercator Research Institutes of Global Commons and Climate Change (MCC). Das Team unter dem auch an der TU Berlin lehrenden Klimaprofessors Felix Creutzig stellte in der in „Nature Energy“ veröffentlichten Studie fest, dass die Experten sowohl des Weltklimarats IPCC als auch der Internationalen Energieagentur (IEA) den Nutzungsgrad der Sonnenenergie zu tief angesetzt hatten.

Den Schätzungen zufolge sollten zwischen 1998 und 2010 nur ein jährliches Wachstum zwischen 16 und 30 Prozent zu verzeichnen gewesen sein. Ähnliche Daten hatten auch Umweltorganisationen wie Greenpeace ermittelt. Die jetzt vorgestellte Studie des MCC gibt indes für denselben Zeitraum Wachstumsraten von bis zu 38 Prozent jährlich an.

Hälfte des Energiebedarfs von der Sonne

Die Berliner Denkfabrik, die mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg i.Br. zusammenarbeitet, schätzt auf der Basis der fünfjährigen Forschung ein, dass bis 2050 zwischen 30 bis 50 Prozent des weltweiten Energiebedarfs aus Sonnenenergie kommen könnte. Dies sei der dreifache Wert der Prognosen internationaler Organisationen.

„Um die Möglichkeiten der Solaranergie voll auszuschöpfen, sollten die Industrieländer – vor allem die G20 – jetzt die Regularien für die Elektrizitätsmärkte modernisieren und Technologien für neue Speichermethoden fördern“, wird Leitautor Felix Creutzig in einer Mitteilung des MCC zitiert.

Bei ihren Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler ein vom PIK entwickeltes Computermodell, bei dem auch die Kosten für Netzausbau, Speicher und andere Integrationsoptionen detailliert berücksichtigt wurden. Das Modell errechnete, dass sich der Preis von Solarmodulen jedes Mal um 20 Prozent senkt, sobald sich ihre Produktion verdoppelt. Im Ergebnis verbilligt sich der Kilowattstundenpreis für erzeugten Sonnenstrom.

Industrieländer hinken hinterher

In Indien, Chile und weiteren Teilen der Welt unterbieten bereits jetzt die Produktionskosten von Solarstrom jene aus der Kohleverstromung. Ein deutliches Signal auch an die USA. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie irrational sich beispielsweise US-Präsident Donald Trump mit seinem Kampf für die klimaschädliche Kohle gegen den Wandel der Wirtschaft stellt“, sagt Creutzig. Allerdings – so glauben die an der Studie beteiligten Wissenschaftler – werde der US-Präsident bald auch Gegenwind aus den Reihen der eigenen Wirtschaft zu spüren bekommen, die den Markttrend nicht verpassen will.

Dank ihrer geografischen Lage sind die USA geradezu prädestiniert, eine Energieinfrastruktur auf Basis von Photovoltaik zu errichten. Das gleiche gilt für die meisten afrikanischen Staaten, die jedoch nicht über die Kapitalkraft verfügen.

Europa hält sich zurück

Die Industrienationen Europas und Asiens halten sich ebenso wie die USA bislang zurück, der Solarenergie den Vorzug zu geben. Dazu tragen auch die Lobbyisten der Industriezweige, die auf die Ausbeutung fossiler Brennstoffe bauen.

Die Autoren hoffen, dass diese kurzfristige Denken dank neuer Technologien bald überwunden werden könnte. „Die Solarenergie hat ein gigantisches Ressourcenpotential, ist umweltfreundlich, und in vielen Teilen der Welt sogar die kostengünstigste Technologie, um Strom zu erzeugen. Unsere Studie zeigt, dass Photovoltaik sich von einer Nischentechnologie zum Hauptpfeiler einer klimafreundlichen und günstigen Stromversorgung entwickeln kann“, sagt Ko-Autor Robert Pietzcker vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).  Elke Bunge, Berlin