Die grösste Interessenvertretung der Schweizer Stromwirtschaft lehnt den Entwurf des Bundesrates für ein neues Stromversorgungsgesetz ab. In seiner Stellungnahme im Rahmen der Vernehmlassung äussert der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) „gewichtige Vorbehalte“. Namentlich sieht der Verband die Versorgungssicherheit gefährdet, weil die Kapazitäten in der Schweiz mit dem schrittweisen Wegfall der Kernkraftwerke sinken würden und auch die europäischen Nachbarn ihre Kapazitäten der Kern- und Kohlekraftwerke zurückfahren würden. Die Vorlage des Bundesrates geben aber keine ausreichenden Anreize für Investitionen in bestehende und neue Kapazitäten in der Schweiz. Für den Fall, dass der Bundesrat die Vorlage „entgegen der Kritik des VSE in der unterbreiteten Form“ dennoch weiterverfolge, seien daher „umfangreiche Verbesserungen an der Vorlage nötig“.
Namentlich fordert der VSE praktisch eine Preisgarantie für die Betreiber von Grosswasserkraftwerken. Über eine Marktprämie soll sichergestellt werden, dass deren Kosten gedeckt sind. „Steigen die Marktpreise über die Gestehungskosten, erfolgt keine Auszahlung. Im umgekehrten Fall erhalten die Wasserkraftwerke einen Deckungsbeitrag“, heisst es in der Stellungnahme. Die bisher zeitlich beschränkten Investitionsbeiträge sollten weitgeführt und auf die Windenergie und „gegebenenfalls“ auf die Photovoltaik ausgeweitet werden. Voraussichtlich unrentable Anlagen sollten „einen Beitrag zur Deckung der nichtamortisierbaren Investitionskosten“ erhalten. Die Betreiber der Wasserkraftwerke sollten auch durch eine Senkung und Flexibilisierung der Wasserzinsen entlastet werden. Der VSE begrüsst die Schaffung einer Speicherreserve. Die Entschädigung solle aber „über dem letzten möglichen Marktpreis“ liegen.
Der Verband hat auch Vorbehalte gegen eine vollständige Öffnung des Strommarktes für die kleineren und kleinen Verbraucher. Er fordert eine Übergangszeit von mindestens zwei Jahren. Zudem sollten die Netzbetreiber dann nicht mehr gezwungen sein, Strom aus lokalen erneuerbaren Quellen abzunehmen und zu vergüten. Auch sollten sie den Strompreis innerhalb der Grundversorgung frei setzen können und auch keine Vorgaben erfüllen müssen, woher sie den Strom beziehen.
Dagegen soll das Messwesen in der Hand der lokalen Netzbetreiber bleiben. Der VSE lehnt eine Teilliberalisierung ab. Diese wird insbesondere von Betreibern von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien gefordert. Die Schaffung eines zentralen Datenhubs durch den Bund lehnt der VSE ab. Die Branche arbeite bereits selbst an Lösungen.
Die Vernehmlassung des Bundes läuft noch bis Ende Januar. Der Bundesrat will mit seiner Vorlage den Strommarkt vollständig öffnen, den Verbrauch erneuerbaren Schweizer Stroms in der Grundversorgung sichern, eine Speicherreserve einführen und das Messwesen für die grösseren Anbieter liberalisieren. stk