Note ungenügend – neue Studie zeigt: Schweiz gerät ohne Inlandziel ins Abseits


Der Nationalrat hat sich heute gegen ein Schweizer Inlandziel ausgesprochen. Laut einer neuen Studie steht die Schweiz ohne Inlandziel isoliert da. Der Ständerat muss diesen Fehlentscheid korrigieren.

Der Nationalrat hat mit dem Entscheid gegen ein Inlandziel die Aussagen des Weltklimarat ignoriert. Dieser stellt klar: Um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu beschränken, müssen global bis 2050 Emissionen auf «Netto-Null» reduziert werden. Auslandzertifikate können das Inlandziel nicht ersetzen – eigene Reduktionen sind das, was letztlich zählt.

Selbst das vom Bundesrat vorgeschlagene Inlandziel von minus 30% wäre nicht ambitioniert gewesen, dies verdeutlicht ein neuer Bericht des Forschungsunternehmens econcept. Bereits eine Trendfortsetzung, ohne zusätzliche Massnahmen, führt zu einer Reduktion von rund 29% bis 2030. Die Studie zeigt, dass für die Schweiz bis 2030 Inlandreduktionen von minus 48% machbar und wirtschaftlich vorteilhaft sind.

«Auf ein Klimaziel zu verzichten, ist unakzeptabel. Damit isoliert sich die Schweiz. Es ist am Ständerat, diesen Entscheid zu korrigieren. Und griffige Massnahmen wie die Erhöhung der CO2-Abgabe müssen jetzt im Gesetz verankert werden», sagt Christian Zeyer, Geschäftsführer swisscleantech.

Europäische Länder mit hohen Inlandzielen

Wirtschaftlich starke europäische Länder wie Deutschland, Schweden, Grossbritannien oder die Niederlande haben sich hohe Inlandreduktionsziele von 49-55% gesetzt und die nötigen Massnahmen zum Teil bereits beschlossen. Auch die EU hat deutlich höhere Reduktionsziele, und es laufen Bestrebungen, das Klimaziel auf minus 55% zu erhöhen.  

Grosses Potenzial bei Gebäuden und Verkehr

Das grösste Potenzial, das zeigt die econcept-Studie, hat die Schweiz bei Gebäuden und Verkehr. In diesen Bereichen zählt die Schweiz zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen in Europa. Viele EU-Staaten haben in diesen Sektoren ambitionierte Ziele beschlossen. Das trifft auch auf Deutschland zu: Im Gebäude- und Verkehrsbereich gelten deutlich ehrgeizigere Ziele als in der Schweiz, obwohl das Land darüber hinaus im Stromsektor den Kohle-ausstieg realisieren muss.

«Ohne verstärkte Massnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich, riskiert die Schweiz, zum Schlusslicht in Europa zu werden», sagt Beat Meier, Autor der econcept-Studie. 

Den Innovationsstandort stärken

Der Innovationsstandort Schweiz braucht eine ehrgeizige Klimapolitik. Nur so kann die Schweiz ihre Pionierrolle im Bereich klimafreundlicher Technologien behaupten. Zudem sind verbindliche Rahmenbedingungen ein wichtiges Signal für Investitionen und sorgen dafür, die Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen.

«Wartet die Schweiz, muss sie ihre Klimaziele später verschärfen. Damit steigt das Risiko von Fehlinvestitionen in CO2-intensive Infrastrukturen und Technologien. Und auch die Gefahr wächst, dass nach 2030 in deutlich kürzerer Zeit und mit höheren Kosten schnelle Strukturveränderungen durchgesetzt werden müssen», so Beat Meier. 

Die Schweiz braucht eine Klimavision

In der zentralen Klimafrage fehlt es in der Schweiz an einer Vision, das macht der Verzicht auf ein Inlandziel deutlich. Ganz anders in Deutschland: Das ambitionierte Inlandziel soll explizit eine Strategie zur Modernisierung der Volkswirtschaft sein, damit die deutsche Wirtschaft auch in einer sich dekarbonisierenden Welt wettbewerbsfähig bleibt.

«In der Klimapolitik braucht die Schweiz den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsens, über Parteigrenzen hinweg. Das haben Schweden und die Niederlande vorgemacht. Hier wurden ambitionierte Klimapakete von einer sehr breiten Koalition von links bis rechts verabschiedet», so Zeyer von swisscleantech. 

Der fehlende Konsens in der Klimapolitik zeigt sich auch darin, dass die Schweiz über kein klares Langzeitziel verfügt. Die Schweiz will bis 2050 ihre Emissionen etwa um 70-85% senken, wobei auch Auslandzertifikate angerechnet werden sollen. Im Kontrast dazu hat die EU letzte Woche einen neuen Langzeitplan veröffentlicht. Darin wird explizit ein Szenario dargelegt, um bis 2050 die Emissionen auf netto-null zu reduzieren.

 

***

Zusatzinformationen

Link zur Studie

2030 Inlandreduktionsziele Europäischer Länder*

*Zahlen gemäss econcept-Studie, S. 46

Vergleich der 2030-Reduktionsziele von Deutschland und der Schweiz in den Sektoren Gebäude und Verkehr

*Zahlen gemäss econcept-Studie, S. 50 **Zahlen von swisscleantech berechnet anhand Bundesratsbotschaft zum CO2-Gesetz, S.95

Entscheid des Europaparlamentes zum 55%-Ziel

Siehe econcept-Studie S. 47 oder direkt hier

EU Langzeitstudie für 2050-Ziel

Kommunikation vom 28.11.2018 der Kommission an EU Parlament und Rat

Schweizer Langzeitziel

Kommuniziert im Schweizer NDC: „The Government of Switzerland has formulated an indicative goal to reduce emissions by 2050 by 70 to 85 percent compared to 1990 including use of international credits as well”