Zum Klimagipfel der UNO: Nationales Engagement statt internationaler Ernüchterung


Nun treffen sie sich also wieder am Klimagipfel der UNO in Glasgow, um über griffige Massnahmen gegen die Klimakrise zu beraten: Die rund 25’000 Delegierten aller Staaten – seit Sonntag bis zum 12. November. Das erklärte Ziel: Die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf 1.5 Grad zu begrenzen, um noch extremere Folgen des Klimawandels abzuwenden. Viele gute Wünsche werden ihnen mit auf den Weg gegeben. So auch von der Alliance of CEO Climate Leaders, einer Vereinigung von 91 weltweit führenden CEOs, darunter auch die CEOs der swisscleantech-Mitglieder ABB, Ikea, PwC, Schneider Electric, Siemens, Swiss Re, Tetra Pak und Zurich Insurance Group. In einem eindrücklichen Brief rufen sie die Leader der Welt dazu auf, mutige Schritte für den Klimaschutz in Gang zu setzen. Hoffen wir, dass diese Worte Gehör finden. Doch wir sollten nicht zu stark enttäuscht sein, wenn die Fortschritte nur langsam vorangehen.

Fotografie: United Nations Climate Change
Artikel
von Dr. Christian Zeyer
02.11.2021

Wer Gelegenheit hatte, Teil dieser Verhandlungen zu sein, wird die Erwartungen zwangsläufig tiefer ansetzen. 2016 und 2017 hatte ich das Privileg als, Vertreter der Schweizer Wirtschaft an den Klimaverhandlungen von Marrakech und Köln teilzunehmen. Als Teil der Schweizer Delegation durfte ich so direkt Teil der Verhandlungen sein und aktiv mitgestalten. Meine Erinnerung daran: Es ist unheimlich aufwendig, in solchen Verhandlungen Fortschritte zu erzielen. Dies ist nicht weiter erstaunlich: Als das Pariser Klimaabkommen 2015 verabschiedet wurde, einigte man sich auf eine relativ grobe Struktur. Heikle Punkte – wie beispielsweise die Transparenz und Verbindlichkeit der Landesziele – wurden nur sehr summarisch festgehalten und zum Teil auch vollständig den nachfolgenden Verhandlungen überlassen. Dieses Vorgehen mag von aussen betrachtet problematisch erscheinen. Es war jedoch die einzige Möglichkeit, im Rahmen der Verhandlungen ein tragfähiges Resultat zu erreichen.

In den nachfolgenden Verhandlungen wurde versucht, dem Pariser Klimaabkommen mittels dem «Paris Rulebook» eine verbindliche Struktur zu verleihen. Eine grosse Herausforderung, weil  die Interessen der Länder zum Teil stark auseinandergehen. Kulturelle, politische und juristische Unterschiede und unterschiedlich gelagerte wirtschaftliche Interessen sind in Einklang zu bringen. So standen an den beiden Verhandlungen, an denen ich teilnehmen durfte, einzelne Sätze zur Diskussion, die bis zum detaillierten Wortlaut verhandelt wurden. In dem Verhandlungsstrang, den ich betreuen durfte, ging es darum, einen Abschnitt von rund zehn Zeilen zu bereinigen. Mir bleibt der Eindruck, dass wir in diesen zwei Wochen kaum Fortschritte erzielten – trotz der Kürze dieses Abschnitts. Aber diese zehn Zeilen hatten es in sich: Es ging darum, wer welche Verantwortlichkeiten im Reporting der Emissionsreduktionen innehaben sollte. Meine Ernüchterung war gross, gleichzeitig wurde mir aber auch klar, warum es so schwierig ist, dass sich die Länder auf einen international bindenden Vertrag einigen. Seither scheint es mir, dass die Verhandlungen nicht wirklich vom Fleck gekommen sind. Zwar wurde das Paris Rulebook an den Verhandlungen von Katowice 2018 verabschiedet, einzelne Details bleiben aber bis heute ungeklärt.

Nichtsdestotrotz bleiben internationale Klimaverhandlungen notwendig und wichtig, wir müssen uns aber im Klaren sein, dass letztlich die nationale Klimapolitik der jeweiligen Länder die Geschwindigkeit in der Umsetzung bestimmt. Nicht zuletzt, weil die beschlossenen Massnahmen gegen die Klimakrise letzten Endes stark auf der Freiwilligkeit der Länder basieren – nur unter dieser Vorbedingung können die Verhandlungen überhaupt zum Abschluss kommen. Aufgrund der Souveränität der einzelnen Länder ist es sehr schwierig, verbindlichere Massnahmen durchzusetzen – das gilt insbesondere für diejenigen Nationen, die sich bisher gegen sämtliche Klimaschutzverpflichtungen sträubten.

Die Verantwortung für einen griffigen Klimaschutz bleibt deshalb auf nationalen Schultern verteilt. Und die Vorbildfunktion der industrialisierten Länder darf nicht unterschätzt werden. Sie sind es, die in der Vergangenheit für den grössten Teil der Emissionen verantwortlich sind und sie haben die Aufgabe und auch die Möglichkeiten, gemeinsam den Weg für die anderen Länder aufzuzeigen.

Was wir heute aus ökonomischer Sicht wissen: Massnahmen gegen die Klimakrise können ein starker wirtschaftlicher Motor sein – unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen hat. Dafür müssen sich Akteure in der Schweiz wie im Ausland aktiv einsetzen. Und deshalb ist auch der Aufruf der Wirtschaft letztlich wegweisend. Aber es reicht nicht, auf dem internationaler Ebene Forderungen zu stellen. Die Wirtschaft muss sich in die nationale Klimapolitik einbringen und klare klimataugliche Rahmenbedingungen fordern.

Wollen Sie sich für die Schweizer Klimapolitik engagieren? Werden Sie Mitglied von swisscleantech und unterzeichnen Sie CEO4climate und demonstrieren damit ihr Engagement für eine Paris-kompatible Schweizer Klimapolitik.