Kernkraft und Erdgas neuerdings nachhaltig? Zur EU-Taxonomie auf Abwegen

Zur Nachhaltigkeit und Konkurrenzfähigkeit von Strom aus Erdgas
Der Entwurf zur Ergänzung der EU-Taxonomie sieht für neue oder bestehende Gaskraftwerke zwei Varianten vor:

Variante a) sieht vor, dass die Treibhausgasemissionen eines nachhaltigen Erdgaskraftwerks über den gesamten Lebenszyklus unter 100 gCO2eq/kWh bleiben müssen (was ungefähr dem aktuellen Strommix der Schweiz entspricht). Moderne Gaskombikraftwerke kommen auf ungefähr 400 gCO2eq/kWh, und – falls ein Grossteil des CO2 aus der Verbrennung mittels Carbon Capture and Storage (CCS) abgetrennt wird – kommen sie auf 180-220 gCO2eq/kWh. Doch wenn mit CCS 90% oder mehr des CO2 aus der Verbrennung abgetrennt werden, müssten dann die Emissionen nicht in der Grössenordnung von 40 gCO2eq/kWh sein?

Das entscheidende Kriterium ist hier, dass die Taxonomie die Grenzwerte in CO2-Äquivalenten (CO2eq) beziffert. Somit sind auch andere Treibhausgasemissionen vor und nach der Stromproduktion erfasst, also auch Erdgaslecks. Erdgas besteht primär aus Methan, welches über 100 Jahre 29.8-mal treibhausaktiver ist als CO2. Die Erdgasleckagen machen somit typischerweise deutlich über 50% (ca. 150 gCO2eq/kWh) der Lebenszyklusemissionen von Gaskombikraftwerken mit CCS aus. Ein ähnliches Problem tritt auch bei der Nutzung von Biogas auf, weshalb Leckratengrenzwerte sehr restriktiv gehandhabt werden sollten. Somit lassen sich die Emissionen von Gaskombikraftwerken auch durch Beimischen von Biogas nicht sonderlich drücken.

Entsprechend darf man skeptisch sein, ob es viele Erdgaskraftwerke geben wird, die diese Lebenszyklusemissionszielwerte der ersten Variante von unter 100 gCO2eq/kWh erfüllen.

Die zweite Variante, b), betrifft Erdgaskraftwerke, deren Baugenehmigung vor Ende 2030 erteilt werden. Ihre Lebenszyklusemissionen müssen unter 270 gCO2eq/kWh liegen (es kommen also wie bei a) auch nur Gaskombikraftwerke mit CCS in Frage). Zudem müssen sie ein altes Kraftwerk ersetzen, dabei 115% dessen Leistung haben und unter 45% dessen Lebenszyklustreibhausgasemissionen pro kWh bleiben.

Für beide Varianten gilt: Da CCS die Energieproduktion mindert (um rund 15-20% bei Gaskombikraftwerken) und die Kosten erhöht (für die CCS-Einheit, den Transport und die Speicherung von CO2), wird ein solches Kraftwerk kaum konkurrenzfähig sein gegenüber Solar- und Windenergie (inklusive Speicherung).

Daher ist zu bezweifeln, dass viele neue und bestehende Erdgaskraftwerke unter den vorgeschlagenen Richtlinien der EU-Taxonomie als nachhaltig gelten werden. Ausgenommen vom zweifelhaften "Nachhaltigkeitslabel" der EU-Taxonomie sind übrigens Erdgasheizungen und Kochfelder, welche beispielsweise in Schweizer Städten (zu) häufig vorkommen.

Kernenergie: Die Schweiz hat nachhaltigere und wirtschaftlichere Alternativen
Die Kernenergie ist eines der Beispiele, wo Klimaschutz nicht gleichbedeutend wie Umweltschutz ist. So gehen 1.5°C-kompatible Klimaszenarien im globalen Mittel von einem Zubau von 59% im Jahr 2030 und von 150% im Jahr 2050 aus (bezogen auf 2010). Dies betrifft primär Regionen mit bisher verhältnismässig geringer Stromversorgung. Ein Zubau in der Schweiz macht hingegen wenig Sinn, da ein Kernkraftwerk kaum vor 2050 ans Netz gehen würde und auch finanziell sehr zweifelhaft lukrativ ist. Zudem haben wir in der Schweiz seit Dekaden genügend geeignete Alternativen, die wir nun endlich geschickt nutzen müssen. Lassen wir uns also von möchtegern-nachhaltigen Deklarationen nicht aufhalten und machen uns an den lokalen Ausbau mit Energie aus Wind, Photovoltaik, Wasser und Speichern.

 

Ein Gastbeitrag von Cyril Brunner, Postdoc in der Klimaphysik an der ETH Zürich (Twitter)

Wie zufrieden sind unsere Mitglieder mit swisscleantech?

Hohe Gesamtzufriedenheit

In erster Linie freut es uns sehr, dass 98% der Teilnehmenden eine Mitgliedschaft bei swisscleantech weiterempfehlen würden und die Gesamtzufriedenheit damit sehr hoch bewertet wurde.

 

Vernetzung und Wissensaustausch: Hohe Priorität mit weiterem Potenzial

Die Vernetzung wurde häufig als wichtiger Grund für die Mitgliedschaft angegeben, gleichzeitig ist in diesem Bereich noch am meisten Verbesserungspotential vorhanden. Diese Erkenntnis nahmen wir auch in der letztjährigen Umfrage mit und lancierten in der Folge den swisscleantech Marktplatz, welchen wir nun laufend verbessern und prominenter bewerben.

Zusätzlich arbeiten wir an Lösungen, die Fokusgruppen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, um so die Einflussnahme der Mitglieder zu unseren zentralen Anliegen zu stärken. Weiter freuen wir uns, dass nun physische Events wieder einfacher möglich sind. Einladungen zu verschiedenen Veranstaltungen, die wieder mehr Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten bieten, folgen in den nächsten Wochen.

 

Inhalte im Sinne der Mitglieder

Wir arbeiten an den richtigen, das heisst für den Grossteil der Mitglieder relevanten Inhalten – auch das bestätigte die Umfrage. Darüber hinaus erreichte uns eine Fülle zusätzlicher und heterogener Themenvorschläge; wir werden diese prüfen und wo es die Ressourcen und Prioritäten zulassen berücksichtigen.

 

Sensibilisierung von Mitarbeitenden

Weiter hat es uns gefreut zu sehen, dass ein Grossteil der Mitglieder ihre Mitarbeitenden für Klimaschutz sensibilisiert. Sollten Sie sich hierzu für eine weiterführende Zusammenarbeit interessieren, wenden Sie sich gerne an uns. Wir stehen z.B. für Webinare oder Referate zu aktuellen Polit-Inhalten oder dem Klimaschutz im Allgemeinen gerne zur Verfügung.

Individuelle Kommentare

Wir haben zahlreiche wertvolle Kommentare erhalten und werden uns bei verschiedenen Teilnehmenden deshalb noch persönlich melden, um die individuellen Inputs zu besprechen.

Den Gewinner*innen des Märchenhotel-Aufenthalts sowie der drei Delinat-Weinabos gratulieren wir ganz herzlich und bedanken uns nochmals bei unseren Preissponsoren.

Neues CO2-Gesetz: Mit den Instrumenten von heute erreichen wir die Ziele von morgen nicht

Seit der Abstimmung zum CO2-Gesetz im Juni 21 ist der Klimawandel nicht mehr aus den Zeitungsspalten verschwunden. Im Sommer zeigte der 6. Zustandsbericht des International Panel on Climate Change (IPCC) eindrücklich auf, dass nur eine ambitionierte und schnelle Reduktion der weltweiten Emissionen den Klimawandel soweit bremsen könnte, dass katastrophale Folgen ausbleiben. Dürreperioden in den USA, dramatische Überschwemmungen in Deutschland und ausser Kontrolle geratene Waldbrände in Australien legten Zeugnis der Veränderungen des Klimas ab.
 
Der Bundesrat reagiert auf diese Ereignisse mit einer Neuauflage des CO2-Gesetzes, der man nur ein Prädikat zuweisen kann: «mutlos». Aus der Sicht der klimatauglichen Wirtschaft hat der Bundesrat aus der Abstimmungsniederlage die falschen Schlüsse gezogen. Es ist zwar begrüssenswert, dass der Bundesrat beispielsweise vermehrt in den Umstieg auf klimafreundliche Heizungsanlagen oder den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos investieren will. «Wenn wir die Emissionen in der Schweiz jedoch kosteneffizient und zielkonform reduzieren wollen, ist ein Stand-by Zustand bei den Lenkungsabgaben falsch», sagt Fabian Etter, Co-Präsident von swisscleantech. Mit einem solchen ambitionslosen Vorgehen verpasse die Schweiz die wirtschaftlichen Chancen, die ein proaktives Vorgehen eröffne.
 
swisscleantech bedauert deshalb, dass darauf verzichtet wird, die Lenkungsabgaben auf Brennstoffe – wie ursprünglich geplant – zu erhöhen. Schliesslich beweise die Statistik, dass grade diese Massnahme wirke. Dem Gebäudebereich müsse gleichzeitig auch besonderes Augenmerk gelten. Der Verband fordert, dass die heute getätigten Investitionen klimatauglich sein müssen. Eine heute eingebaute Ölheizung stosse während 20 Jahren unverändert CO2-Emissionen aus. Dies passe nicht zu ambitioniertem Klimaschutz.
 
swisscleantech sieht zwei deutlich bessere Möglichkeiten, die Vorbehalte der Gegner zu berücksichtigen und diese besser einzubinden:

Erstens sei deutlich geworden, dass Klimaschutzinvestitionen an Gebäuden für viele Hausbesitzer eine Herausforderung darstellen. Zinsgünstige und langfristige Darlehen könnten helfen, die Hauseigentümer*innen für die dringend notwendigen Gebäudemodernisierungen zu gewinnen. Der Staat kann eine wichtige Rolle dabei spielen, dass solche Darlehen überhaupt zur Verfügung stehen. Solche innovativen Ideen sucht man im Gesetz vergeblich. Dabei sind neue Ideen, welche helfen, unsere Infrastrukturen klimatauglich umzubauen, dringend gesucht. swisscleantech hat in den letzten zwei Jahren an solchen Konzepten gearbeitet und wird diese auch in den Gesetzgebungsprozess einbringen.
 
Als zweites gilt es, die Funktionsweise von Lenkungsabgaben besser zu erklären. Eine im Herbst durchgeführte Studie der Hochschule St. Gallen wies nach, dass drei Viertel aller Abstimmenden – sowohl Befürworter*innen wie auch Gegner*innen – nichts davon wusste, dass die Lenkungsabgaben an die Bevölkerung zurück verteilt werden. Wer die Bevölkerung für Lenkungsabgaben gewinnen will, muss diese besser erklären. Der Staat ist da in der Pflicht.

Im Bereich des Flugverkehrs begrüsst swisscleantech hingegen die neu vorgeschlagene Beimischpflicht von nichtfossilen Treibstoffen. «Diese Massnahme kann helfen, dass der dringend benötigte Markt für diese heute noch teuren Energieträger aufgebaut wird», sagt Fabian Etter. Auch wenn die Schweizer*innen mit ihrem ausgeprägten Reiseverhalten pro Kopf überdurchschnittlich viel zur Klimawirkung des Flugverkehrs beitragen, bleibt diese Industrie ein international geprägtes Business. Es ist deshalb sinnvoll, auf Massnahmen zu setzen, die mit dem umgebenden Ausland kompatibel sind.

Insgesamt bleibt aber der Eindruck: Der nun vorgelegte Gesetzesentwurf ist deutlich zu wenig ambitioniert und muss im Parlament nachgebessert werden.

Mehr Informationen zu Konzepten für die Finanzierung von Gebäudemodernisierungen finden sich hier

Mit Losinger Marazzi und swisscleantech zu klimatauglichen Immobilien und Umbauten

Seine Kompetenzen als führendes Schweizer Unternehmen in den Bereichen Immobilienentwicklung und innovatives Bauen hat Losinger Marazzi mit verschiedenen Leuchtturmprojekten unter Beweis gestellt. Davon zeugt beispielsweise der ehemalige Posthauptsitz «Schönburg» in Bern, der zu einer Siedlung mit Hotel, Wohnungen, Lebensmittelgeschäft und Fitnesscenter umgestaltet wurde. Die zentrale Betonstruktur des Gebäudes wurde dabei vollständig belassen. «Bestandsbauten weiterzuentwickeln, dabei bestehende Strukturen zu nutzen und in ein neues Leben überzuführen bildet ein zentrales Element des nachhaltigen Bauens.» unterstreicht Christian Zeyer, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands swisscleantech. Der Grund: In den bestehenden Strukturen stecken sehr viel graue Energien und graue Emissionen, die bei einem Umbau genutzt werden können.

«Damit es möglich wird, bestehende Immobilien aufzuwerten anstatt zu ersetzen, braucht es die richtigen Voraussetzungen», betont Pascal Bärtschi, CEO von Losinger Marazzi. «Die gemeinsamen Ziele von Losinger Marazzi und swisscleantech sind damit ebenso vielfältig wie entscheidend für eine klimataugliche Schweizer Wirtschaft – wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!»

Über Losinger Marazzi

Losinger Marazzi ist das führende Schweizer Unternehmen im Bereich Immobilienentwicklung und innovatives Bauen und bietet Dienstleistungen an, die den Herausforderungen einer zunehmend komplexen, vernetzten und mobilen Gesellschaft gerecht werden. Gestützt auf seine langjährige Erfahrung und sein grosses Fachwissen lässt das Unternehmen inspirierende Lebensräume von Grund auf entstehen. Insbesondere verfügt Losinger Marazzi über vertieftes Knowhow in Bezug auf Stadterneuerungen, der Entwicklung von Smart Cities und Gesamtleistungserbringungen und stellt diese in den Dienst seiner Kunden im öffentlichen oder privaten Sektor, Partner und Endnutzer.

Mit grossem Verantwortungsbewusstsein setzt sich Losinger Marazzi für eine nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen ein und geht die gesellschaftlichen Herausforderungen an, um den Bedürfnissen und Erwartungen der aktuellen und kommenden Generationen zu entsprechen. Ziel ist es, bis 2030 die Treibhausgasemissionen des Unternehmens um 30% zu senken.

www.losinger-marazzi.ch

Über swisscleantech

swisscleantech vereint klimabewusste Unternehmen. Gemeinsam bewegen wir Politik und Gesellschaft für eine CO2-neutrale Schweiz. Wir sind Themenführer in Energie- und Klimapolitik und zeigen Lösungen für eine klimataugliche Wirtschaft auf. Der Verband zählt über 500 Mitglieder aus allen Branchen, darunter über 40 Verbände. Zusammen mit den angeschlossenen Verbänden vertritt swisscleantech über 24‘000 Schweizer Unternehmen und rund 400‘000 Mitarbeitende.

Von der Klimawissenschaft zu erneuerbaren Energien – Einsichten aus dem Winteranlass

Event verpasst?
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Dass die Durchführung eines geselligen Anlasses auch unter aktuellen Corona-Vorzeichen möglich ist, zeigt swisscleantech mit seinem Winteranlass vom 30. November. Möglich wurde dies dank einem erweiterten Gesundheitsschutzkonzept (2G) und der Flexibilität des Bierhübeli-Teams in Bern. So trafen sich die Gäste zum Apéro riche unbeschwert in vorweihnachtlich-festlicher Stimmung des Vorgartens mit Feuerschalen und Glühwein, um im Anschluss den spannenden Vorträgen und Diskussionen im Festsaal mit Maske zu folgen.

Menschengemachte Extremwetterereignisse nehmen rasant zu – höchste Zeit, konsequent zu handeln
Frau Prof. Sonja Seneviratne, Klimawissenschaftlerin der ETH Zürich und Hauptautorin des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC stellte den rund 100 Teilnehmer*innen vor Ort und den etwa 100 gemeldeten Livestream-Zuschauer*innen die Kernresultate des Klimaberichtes vor, den das IPCC im Sommer veröffentlicht hatte – ein 1’000-seitiger Bericht von ebenso hoher Dringlichkeit wie wissenschaftlicher Qualität, an dem 234 Autor*innen aus aller Welt mitgearbeitet hatten und welcher auch als 10-seitige Zusammenfassung für Entscheidungsträger*innen zur Verfügung steht.

Die Aussagen des Berichts sind deutlich: Wir tun zu wenig gegen den Klimawandel und den getroffenen Massnahmen fehlt es an Geschwindigkeit. Diese Aussage ist an sich nicht neu. Was jedoch die Forschungsarbeiten der letzten Jahre besonders bestätigt haben: Bereits heute hat die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen massiv zugenommen und ohne Ausbau aktueller Klimaschutzmassnahmen werden Dürren, Hitzeperioden, Landbrände und Überflutungen immer häufiger auftreten.

Seneviratne machte deutlich: Die aktuelle globale Erwärmung ist beispiellos – eine höhere Erwärmungsrate gab es in den letzten 1'000 Jahren nicht, die globale Temperatur ist seit 100'000 Jahren unerreicht hoch. Und auch mit der Ursachenforschung brauchte sie sich nicht lange aufzuhalten: «Der Klimawandel ist menschengemacht.» – zu 98%. Trotz Coronakrise nimmt die CO2-Konzentration ununterbrochen zu und erreichte im Mai dieses Jahres einen neuen Höchststand. Einziger Ausweg bleibe das Ziel Netto-Null, führte Seneviratne aus und verwies auf die beiden Hauptursachen Verbrennung fossiler Brennstoffe und Abholzung.

Mit Winterstromauktionen von den fossilen zu den erneuerbaren Energien
Christian Zeyer, Geschäftsführer von swisscleantech spannte anschliessend den Bogen von der Klimawissenschaft zur Schweizer Energieversorgung. Er unterstrich, dass auch die Schweiz zum Ausstieg aus den fossilen Energien noch viele Hausaufgaben zu erledigen hat. Noch immer werden rund 61% des Schweizer Energieverbrauchs durch fossile Energien gedeckt. Zum Ausstieg müssen die Erneuerung des Gebäudebestandes und die Elektrifizierung des Verkehrs eine entscheidende Rolle einnehmen. Diese beiden Bereiche sind für 85% der in der Schweiz verwendeten fossilen Energien verantwortlich. Der Lösungsweg führt über Elektrifizierung und Energieffizienz, führte Zeyer aus – und das bedeutet, dass die Schweiz seine Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen deutlich ausweiten müsste. «Die Umstellung unserer Energieversorgung ist eine Generationenaufgabe. Sie verlangt von uns, das Angebot an erneuerbarem Strom aus Photovoltaikanlagen und Windturbinen um mindestens den Faktor zehn zu erhöhen. Damit dies gelingt, braucht es einen tragfähigen Kompromiss zwischen Konsument*innen und Produzent*innen.»

Damit die notwendige Geschwindigkeit des Ausbaus erreicht werden könne, brauche es Investitionshilfen, die sich konsequent an den Herausforderungen der Zukunft orientieren. Diese liegen vornehmlich in der Winterstromversorgung, weshalb sich auch das Förderregime entsprechend ausrichten müsste. swisscleantech macht sich deshalb stark für ein Auktionsmodell, das den Ausbau der Produktionskapazitäten für erneuerbaren Strom effektiv zu fördert und vor allem die Produktion im Winter entschädigt.

Die Politik, die Energiewirtschaft und der Finanzplatz zur Zukunft des CO2-Gesetzes und der erneuerbaren Energien
In einer abschliessenden Podiumsdiskussion mit Antje Kanngiesser, CEO Alpiq, Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP-Nationalrätin, August Benz, stellvertretender CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung und Fabian Etter, Co-Präsident von swisscleantech wurden die Inputs aus den Referaten näher beleuchtet und in ihren politischen Kontext gestellt.

Die Diskussion um das kommende CO2-Gesetz rückten in dieser von SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann moderierten Diskussion sehr schnell ins Zentrum. Fabian Etter bedauerte den immer noch vorherrschenden Fokus auf die verlorene Abstimmung im letzten Juni – Es gehe nicht an, dass deshalb marktwirtschaftliche Massnahmen in den Hintergrund rücken sollen. Diese seien aus Effizienzgründen allen anderen Massnahmen weiterhin überlegen. Auch für Nationalrätin Vincenz-Stauffacher stehen marktwirtschaftliche Massnahmen im Vordergrund; dabei gelte es aber auch, neue Möglichkeiten auszuloten. So sieht sie beispielsweise grosses Potenzial in Public-Private-Partnership-Massnahmen im Bereich der Gebäudemodernisierungen. Wichtig sei aber auch – darin waren sich die Teilnehmer*innen einig – dass der Bevölkerung die Notwendigkeit und die Richtigkeit der Massnahmen nachvollziehbarer kommuniziert werde und dass die Finanzflüsse transparent aufgezeigt werden.

Des Weiteren unterhielten sich die Podiumsteilnehmer*innen über die Herausforderungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Es sei offensichtlich, dass es zwei wesentliche Gründe gäbe, warum die erneuerbaren Energien in der Schweiz nicht schnell genug vorankämen: Wesentliche Hindernisse seien zum einen die langwierigen Bewilligungsprozesse, zum anderen der Mangel an finanziellen Anreizen. Diese Einschätzung wurde auch durch die Publikumsbefragung bestätigt.

August Benz betonte, dass aus Bankensicht die Bereitschaft und auch das Potenzial zur Finanzierung grundsätzlich vorhanden seien. In einer Studie rechnete die Bankiervereinigung vor, dass in den nächsten 30 Jahren rund 400 Milliarden Franken investiert werden müssten, um die Dekarbonisierung der Schweiz zu schaffen. Diese Grössenordnung sei für die Schweizer Volkswirtschaft zu stemmen. Auch Antje Kanngiesser betonte, dass finanzielle Mittel nicht das Problem darstellten. Es sei aber für Stromproduzent*innen eine grosse Herausforderung, marktfähige Business Cases zu entwerfen. Hohe Anfangsinvestitionen stünden einer zunehmenden Volatilität der Strompreise gegenüber. Dies mache die Finanzierung neuer Projekte zu einer Herausforderung. Mindestens so schwierig sei aber die Bewilligungspraxis. Investor*innen seien auf Planungssicherheit und schnelle Prozesse angewiesen, um bereitwillig zu investieren. Das Podium war sich daher einig, dass die Zusammenführung der Bewilligungsprozesse und die Reduktion der Rekursmöglichkeiten diese Prozesse beschleunigen würden. Es gehe aber nicht darum, die Möglichkeit zur Einsprache auszuhebeln, sondern einzig um einheitliche und schnelle Prozesse. Allenfalls wären auch spezialisierte Gerichte sinnvoll, die zur Konfliktlösung zwischen Infrastrukturprojekten und Umwelt beitragen, warf Vincenz-Stauffacher ein.

Die swisscleantech-Co-Präsidenten Carsten Bopp und Fabian Etter rundeten die Diskussion und Vorträge ab, worauf der rundum gelungene Anlass mit dem Dessertbuffet sein Ende fand.

Verfolgen Sie den Anlass nachträglich in voller Länge:
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Neuer Weg zur Förderung erneuerbarer Stromproduktion

Ausgangslage

Die Versorgungssicherheit im Winter beschäftigt Stromproduzent*innen wie auch -konsument*innen. Mit dem aktuellen, zu langsamen Ausbau der Schweizer Stromproduktionsanlagen wird die Stromnachfrage das Angebot im Winterhalbjahr um bis zu 20 Terawattstunden übersteigen. Diese Grössenordnung kann weder durch Importe gedeckt werden, noch kann sie durch Einsparungen ausreichend reduziert werden. Ganz anders ist die Stromversorgungssituation im Sommer einzuschätzen: Die Wasserkraft liefert zwei Drittel ihrer Jahresleistung im Sommer und auch die Solarenergie erreicht naturgemäss in dieser Jahreszeit ihre Spitzenwerte – es ist mit einem Überangebot an Strom im Sommer zu rechnen.

Aktuell verfügt die Schweiz über ein funktionierendes Fördererregime für kleine Solaranlagen auf Dächern. Dieses Förderprogramm ist sinnvoll und soll weitergeführt werden, weil es dezentral Strom zur Verfügung stellt. Ergänzt wird es seit Herbst 2021 um ein zeitlich beschränktes Förderprogramm, das technologiespezifisch und wenig liberal ausgestaltet ist.

Ein fairer, marktnaher und technologieoffener Lösungsvorschlag

swisscleantech ist überzeugt, dass es ein langfristiges und verlässliches, möglichst technologieoffenes Anreizprogramm braucht. Für die Akzeptanz eines Förderprogramms wichtig ist, dass es sich an den Bedürfnissen der Kund*innen wie auch der Produzent*innen orientiert. Deshalb ist die Förderung so auszurichten, dass die Winterstromproduktion direkt gefördert wird. Für ihre Sommerproduktion sollen die Produzent*innen direkt auf dem Markt entschädigt werden.

Auf dieser Basis hat swisscleantech ein Auktionsmodell erarbeitet, welches besonders die Winterstromproduktion fördert und gleichzeitig eine technologieunabhängige Vergabe von Fördergeldern ermöglicht. Auktionen sind ein gängiges und etabliertes Modell zur Vergabe von Fördermitteln für Produktionsanlagen von erneuerbarem Strom. swisscleantech schlägt zwei einfache Anpassungen vor, die es erlauben, die aktuell gut eingeführten Einfachvergütungen weiterzuführen und sicher zu stellen, dass vor allem die Produktion im Winter entschädigt wird.

Ablauf der Winterstromauktion

Die Auktion erfolgt in vier Schritten:

1. Vorbereitung durch Stromproduzent*in
Jede Betreiber*in erarbeitet ein Businessmodel für eine geplante Stromproduktionsanlage. In dieses Businessmodel werden die Erwartungen bezüglich des Strompreises, der auf dem Markt erzielt werden kann, miteingerechnet. Schliesst das Businessmodel mit einem Gewinn ab, besteht die Bereitschaft, zu investieren, ohne auf eine Förderung zurückzugreifen. Zeigt das Businessmodel am Ende der Lebensdauer der Anlage nicht amortisierbare Investitionen, so wird die Investor*in (zunächst) darauf verzichten, zu investieren, da mit einem Verlust gerechnet werden muss.

2. Beantragung eines staatlichen Investitionsbeitrags durch Investor*in
Bis hier unterscheidet sich das Vorgehen nicht von einer normalen Auktion. Statt diese Berechnung nun direkt auf die Produktion umzulegen und einen Produktionsbeitrag pro Kilowattstunde zu beantragen, soll die Investor*in einen Investitionsbeitrag in der Höhe dieser nicht amortisierbaren Investitionen beim Staat beantragen.

3. Erwartete Winterstromproduktion
In einem dritten Schritt bestimmt die Investor*in die Menge der Produktion, welche die Anlagen im Winter voraussichtlich erbringen wird. Diese erwartete Produktion wird über die Lebensdauer der Anlage hochgerechnet.

4. Die eigentliche Auktion
In einem vierten Schritt wird der benötigte Investitionsbeitrag durch die zu erwartete Produktion dividiert. Es errechnet sich ein Preis für die zusätzliche Winterstromproduktion. Dieser Wert ist über verschiedene Anlagen hinweg direkt vergleichbar – auch wenn sie unterschiedliche Technologien nutzen. Die Angebote der Investor*innen können nun nach aufsteigenden Preisen aufgereiht werden. Alle Angebote, die einen tieferen Preis als das letzte noch akzeptierte Angebot einfordern, erhalten einen Zuschlag. Den Investor*innen wird anschliessend ein einmaliger Investitionsbeitrag in der beantragten Höhe ausbezahlt.

Vorteile der Winterstromauktion

Technologieübergreifende Auktion und Vergleichbarkeit
Solaranlagen können beispielsweise mit Wind- oder Wasserkraft direkt verglichen und auktioniert werden.

Wirtschaftliche Anreize für Betreiber*innen
Betreiber*innen tragen zwar das Risiko, haben aber auch die Möglichkeit, Gewinn zu erwirtschaften.

Minimale Abhängigkeiten zwischen Staat und Investor*in
Die beantragten Investitionsbeiträge orientieren sich an der gesamten Lebensdauer und werden so einmalig ausbezahlt – es werden keine langfristigen Verträge zwischen Investor*in und Staat benötigt.

Bild 1: Schematische Darstellung der Winterauktion
Die Betreiber*in erstellt das Businessmodell. Daraus ergibt sich die Rentabilität. Ist die Rentabilität nicht gegeben, wird ein Investitionsbeitrag beantragt. Für die Auktion wird dieser mit der Winterproduktion über die Lebensdauer in Beziehung gebracht.

 

Ein Beitrag aus dem Jahresbericht
Zum Jahresbericht 2021

Neue Wege im heissen Klimaherbst

Uns allen war mit dem Nein zum CO2-Gesetz am 13. Juni wohl bewusst: Diese wichtige Abstimmung ist verloren, und doch müssen wir der Klimakrise mit neuen Kräften und Lösungen begegnen. Die Gründe für das Nein in der Abstimmung sind vielfältig. Einerseits stösst die Funktion von Lenkungsabgaben nach wie vor auf Unverständnis und die Furcht vor steigenden Kosten durch klimapolitische Massnahmen ist weiterhin ebenso gross wie unbegründet. Die Bruchlinie zwischen den Nein- und Ja-Stimmenden ist aber auch auf unterschiedliche Weltanschauungen zurückzuführen: Das Ja-Lager erachtet den Klimaschutz als weltweite und wachsende Bewegung, die der Schweizer Wirtschaft auch oder vor allem Chancen bietet. Das Nein-Lager stuft die Schweiz als unbedeutende, isolierte Klimaschutz-Vorreiterin ein und betont alarmistisch mögliche wirtschaftliche Schäden.

Es gilt jetzt unter diesen Vorzeichen herauszufinden, welche Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Klimapolitik bestehen bleiben und welche neuen Wege einzuschlagen sind. Wir müssen aber auch die Mehrheit der Bevölkerung schlüssig überzeugen, dass Klimaschutz eine Notwendigkeit und Chance zugleich darstellt – unsere Kampagne CEO4Climate soll hier eine wichtige Rolle spielen. Doch auch die Klimapolitik muss sich weiterentwickeln. Dabei müssen die Lehren aus dem Nein vom 13. Juni miteinbezogen werden. Eine vollständige Neuauflage des abgelehnten Gesetzes ist  nicht zweckdienlich. Es bleibt aber eine Vielzahl von möglichen Massnahmen, weshalb swisscleantech schon kurz nach der Abstimmung sechs Initiativen zur Weiterentwicklung der Schweizer Klimapolitik veröffentlichte.

in der Herbstsession ein umfangreiches Anreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien beschlossen. Damit zahlt sich unser jahrelanges Engagement für klimataugliche Energiequellen aus. Dieses Engagement ist aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen: Der Bedarf an erneuerbarer Energie wird stetig steigen, wenn wir das Pariser Klimaabkommen erfüllen wollen und die Stromversorgung im Winter wird mit dem Wegfall der Kernkraftwerke  zu einer echten Herausforderung. swisscleantech spinnt daher den Faden weiter und setzt sich für ein technologieneutrales und wirtschaftsfreundliches Auktionsmodell zur Finanzierung von erneuerbaren Energieanlagen ein, das den Fokus auf die Winterstromproduktion legt.

Auch unser Projekt zur Finanzierung von Gebäudemodernisierungen macht gute Fortschritte und zieht immer mehr Interesse auf sich. Mittlerweile beteiligen sich mehrere Hochschulen, Kantone, Gemeinden, Verbände und Finanzierungsinstitute mit dem gemeinsamen Ziel:  Hauseigentümer*innen langfristige, günstige und staatlich abgesicherte Darlehen für energetische Modernisierungen zur Verfügung zu stellen.  Wir arbeiten weiter darauf hin, um hoffentlich bereits im nächsten Jahr die dazu notwendigen politischen Rahmenbedingungen zu verabschieden.

Ausserdem haben wir uns stark dafür eingesetzt, dass die Beratungsleistungen für die Wirtschaft durch die Cleantech Agentur Schweiz (act) und durch die Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) weitergeführt werden können. Die dazu notwendigen gesetzlichen Grundlagen sind schon fast unter Dach und Fach. Wir sind zuversichtlich, dass die Befreiung der Lenkungsabgabe für Unternehmen im Emissionsreduktionsprogramm über das Jahr 2022 hinaus fortgeführt wird.

Aktuell beschäftigt uns die heftig diskutierte, mögliche Strom-Mangellage. Natürlich ist es so, dass die erneuerbaren Energien die Stromversorgung vor neue Herausforderungen stellen. Wir sind aber überzeugt, dass wir diese mit geeigneten Massnahmen adressieren können. Denn: Die Option, weiter auf fossile Energien zu setzen, besteht nicht und auch ein Revival der Nuklearenergie halten wir für wenig zielführend. Mit acht Massnahmen – vom Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung bis zum Demand Side Management – wollen wir diese Herausforderung angehen.

Auch in der Klimapolitik geht es jetzt in hohem Takt weiter. In den nächsten zwei Jahren soll die Gletscherinitiative zur Abstimmung kommen. Diese fordert Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Der Bundesrat veröffentlichte im September einen entsprechenden Gegenvorschlag, die parlamentarischen Beratungen haben begonnen. Wir diskutieren natürlich weiterhin engagiert mit!

Wir suchen: Praktikant*in Politik 80 – 100%

Als Wirtschaftsverband vereinen wir klimabewusste Unternehmen. Gemeinsam mit unseren über 500 Mitgliedern bewegen wir Politik und Gesellschaft für eine CO2-neutrale Schweiz. Wir sind Themenführer in Energie- und Klimapolitik und zeigen Lösungen für eine klimataugliche Wirtschaft auf. In den acht Monaten hast du die Gelegenheit, die schweizerische Klimapolitik in der Praxis kennen zu lernen und dich mit verschiedenen Dossiers von der Energiepolitik über die Klimapolitik bis zur Kreislaufwirtschaft auseinanderzusetzen.

Während des Praktikums wirst du

  • Stellungnahmen und Newsletter vorbereiten und finalisieren
  • Anlässe für Politiker*innen und andere Stakeholder organisieren
  • Stakeholder Treffen organisieren und daran teilnehmen
  • Positionspapiere draften
  • … und die Details der Lobbyarbeit kennen lernen.

Wir erwarten folgendes: Du

  • verfügst über ein abgeschlossenes oder weit fort geschrittenes Studium im Bereich Politikwissenschaft mit einer Vertiefung in Umweltpolitik (oder vergleichbare Ausbildung)
  • bist kommunikativ und es fällt dir leicht mit anderen Leuten Kontakt zu knüpfen
  • bist gewohnt sehr eigenständig zu arbeiten
  • bist bereit zu vollem Engagement für eine begeisternde Sache
  • hast allenfalls bereits Erfahrung in Politik auf lokaler Ebene oder in Jugendparlamenten

Wir bieten

  • eine spannende, eigenständige, verantwortungsvolle Praktikumsstelle
  • die Möglichkeit, sich für die klimataugliche Wirtschaft einzusetzen
  • vielfältige Einblicke in die Wirtschaft und in die Klimapolitik der Schweiz

Bewirb dich bis zum 30.11.2021 mit vollständigem Lebenslauf und Motivationsschreiben an bewerbung@swisscleantech.ch.  

Nach dem Klimagipfel: Mangel an internationaler Solidarität und nationalem Engagement

Desaströs ist nicht die Konferenz von Glasgow, es ist die Klimapolitik der teilnehmenden Länder, die nicht genügt. Die Organisation Climate Action Tracker weist nach, dass kaum eine Nation auf der ganzen Welt über eine Klimapolitik verfügt, die mit dem Pariser Klimaabkommen im Einklang steht. Auch die Schweiz steht nicht besser da: Mit dem Nein zum CO2-Gesetz gehört sie vielmehr zu den wenigen Ländern, die keine verbindlichen Pläne zur Erreichung ihrer klimapolitischen Ziele vorweisen können.

Die Vorwürfe an China und Indien sind aus zwei Gründen scheinheilig: Erstens ist auch der Wohlstand von uns Industriestaaten wesentlich auf fossile Rohstoffe zurückzuführen – eine schwache Position, um mit dem Finger auf andere zu zeigen, die noch weit unter diesem Wohlstandsniveau liegen.

Zweitens verursachen wir mit unserem nationalen Konsum auch die Emissionen von China und Indien mit. Tatsächlich verursacht unser Konsum in den Ländern, in welchen unsere Güter hergestellt werden, etwa doppelt so viele Emissionen, wie wir in der Schweiz verursachen. Dass wir uns gleichzeitig dafür einsetzen, den Handel mit Klimazertifikaten voranzutreiben, um in der Schweiz weniger Emissionen reduzieren zu müssen, grenzt damit an Heuchelei.

Natürlich muss man der Schweiz zugutehalten, dass sie sich sehr stark dafür engagiert, dass dieser Handel zumindest nach transparenten Regeln erfolgt. Trotzdem ist das Ziel, einen erheblichen Teil der Schweizer Emissionen im Ausland zu kompensieren nur der Ausdruck davon, dass das Ausmass der Klimakrise in der Schweizer Bevölkerung immer noch zu wenig bewusst ist. Wie soll die offizielle Schweiz an den Verhandlungen eine ambitioniertere Position einnehmen, wenn ihr zu Hause die Rückendeckung des Stimmvolks fehlt? Damit ist die Schweizer Positionierung gar nicht so anders als diejenige von China, Indien, Russland oder Saudi-Arabien. Sie alle wissen: Eine ambitionierte Klimapolitik ist kurzfristig ein Klimmzug, den sie nicht leisten wollen. Dabei verlieren sie aus den Augen, dass der langfristige wirtschaftliche Gewinn gross und der Weg in eine klimataugliche Zukunft ohne Alternative ist.

Unter dem Strich bestätigt die Klimakonferenz in Glasgow vor allem eines: Die oft eingeforderte weltweite Solidarisierung fehlt bis heute – obwohl wir wissen, dass alle im gleichen Boot sitzen. Für die Bewältigung der Klimakrise bleiben damit vor allem zwei Mittel: Ambitionierte CO2-Reduktionen im eigenen Land und der Ausbau der globalen Kooperation. So ist zumindest die gemeinsame Erklärung von China und den USA zu mehr Zusammenarbeit im Klimaschutz ein Lichtblick.

Zum Klimagipfel der UNO: Nationales Engagement statt internationaler Ernüchterung

Wer Gelegenheit hatte, Teil dieser Verhandlungen zu sein, wird die Erwartungen zwangsläufig tiefer ansetzen. 2016 und 2017 hatte ich das Privileg als, Vertreter der Schweizer Wirtschaft an den Klimaverhandlungen von Marrakech und Köln teilzunehmen. Als Teil der Schweizer Delegation durfte ich so direkt Teil der Verhandlungen sein und aktiv mitgestalten. Meine Erinnerung daran: Es ist unheimlich aufwendig, in solchen Verhandlungen Fortschritte zu erzielen. Dies ist nicht weiter erstaunlich: Als das Pariser Klimaabkommen 2015 verabschiedet wurde, einigte man sich auf eine relativ grobe Struktur. Heikle Punkte – wie beispielsweise die Transparenz und Verbindlichkeit der Landesziele – wurden nur sehr summarisch festgehalten und zum Teil auch vollständig den nachfolgenden Verhandlungen überlassen. Dieses Vorgehen mag von aussen betrachtet problematisch erscheinen. Es war jedoch die einzige Möglichkeit, im Rahmen der Verhandlungen ein tragfähiges Resultat zu erreichen.

In den nachfolgenden Verhandlungen wurde versucht, dem Pariser Klimaabkommen mittels dem «Paris Rulebook» eine verbindliche Struktur zu verleihen. Eine grosse Herausforderung, weil  die Interessen der Länder zum Teil stark auseinandergehen. Kulturelle, politische und juristische Unterschiede und unterschiedlich gelagerte wirtschaftliche Interessen sind in Einklang zu bringen. So standen an den beiden Verhandlungen, an denen ich teilnehmen durfte, einzelne Sätze zur Diskussion, die bis zum detaillierten Wortlaut verhandelt wurden. In dem Verhandlungsstrang, den ich betreuen durfte, ging es darum, einen Abschnitt von rund zehn Zeilen zu bereinigen. Mir bleibt der Eindruck, dass wir in diesen zwei Wochen kaum Fortschritte erzielten – trotz der Kürze dieses Abschnitts. Aber diese zehn Zeilen hatten es in sich: Es ging darum, wer welche Verantwortlichkeiten im Reporting der Emissionsreduktionen innehaben sollte. Meine Ernüchterung war gross, gleichzeitig wurde mir aber auch klar, warum es so schwierig ist, dass sich die Länder auf einen international bindenden Vertrag einigen. Seither scheint es mir, dass die Verhandlungen nicht wirklich vom Fleck gekommen sind. Zwar wurde das Paris Rulebook an den Verhandlungen von Katowice 2018 verabschiedet, einzelne Details bleiben aber bis heute ungeklärt.

Nichtsdestotrotz bleiben internationale Klimaverhandlungen notwendig und wichtig, wir müssen uns aber im Klaren sein, dass letztlich die nationale Klimapolitik der jeweiligen Länder die Geschwindigkeit in der Umsetzung bestimmt. Nicht zuletzt, weil die beschlossenen Massnahmen gegen die Klimakrise letzten Endes stark auf der Freiwilligkeit der Länder basieren – nur unter dieser Vorbedingung können die Verhandlungen überhaupt zum Abschluss kommen. Aufgrund der Souveränität der einzelnen Länder ist es sehr schwierig, verbindlichere Massnahmen durchzusetzen – das gilt insbesondere für diejenigen Nationen, die sich bisher gegen sämtliche Klimaschutzverpflichtungen sträubten.

Die Verantwortung für einen griffigen Klimaschutz bleibt deshalb auf nationalen Schultern verteilt. Und die Vorbildfunktion der industrialisierten Länder darf nicht unterschätzt werden. Sie sind es, die in der Vergangenheit für den grössten Teil der Emissionen verantwortlich sind und sie haben die Aufgabe und auch die Möglichkeiten, gemeinsam den Weg für die anderen Länder aufzuzeigen.

Was wir heute aus ökonomischer Sicht wissen: Massnahmen gegen die Klimakrise können ein starker wirtschaftlicher Motor sein – unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen hat. Dafür müssen sich Akteure in der Schweiz wie im Ausland aktiv einsetzen. Und deshalb ist auch der Aufruf der Wirtschaft letztlich wegweisend. Aber es reicht nicht, auf dem internationaler Ebene Forderungen zu stellen. Die Wirtschaft muss sich in die nationale Klimapolitik einbringen und klare klimataugliche Rahmenbedingungen fordern.

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