Anliegen der Wirtschaft zur Totalrevision des CO2-Gesetzes

Sehr geehrte Nationalrätinnen und Nationalräte

Am 3. Dezember starten Sie die Beratungen zur künftigen Klimapolitik der Schweiz (Totalrevision CO2-Gesetz). Der Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Unsere Mitglieder wollen zu dessen Lösung beitragen und die darin enthaltenen Chancen packen. Damit es für alle planbar und attraktiv wird, den Ausstoss von Treibhausgasen zu senken, sind passende Rahmenbedingungen gefordert – die Technologien für die Umsetzung sind vorhanden. Eine vorausschauende und engagierte Klimapolitik bietet Investitionsschutz und stärkt unseren Wirtschaftsstandort. Für Ihre Diskussionen möchten wir Ihnen deshalb gerne folgende Anliegen unserer Mitgliederfirmen mitgeben:

Inlandziel erhöhen

Wir brauchen ein Klimagesetz mit einem Inlandziel von mindestens -40%. Nur so sichern wir Investitionen im Inland und können unsere Infrastrukturen für die Zukunft rüsten. Auslandzertifikate bringen Kosten- und Qualitätsrisiken und dürften längerfristig teuer werden.

Wir bitten Sie deshalb, folgenden Anträgen Folge zu leisten:

  • Art. 3, Minderheit III Müller-Altermatt (Inlandziel)
  • Art. 6, Minderheit II Müller-Altermatt (Qualität Auslandzertifikate)

CO2-Abgabe erhöhen und Zielvereinbarungen allen Unternehmen zugänglich machen

Die CO2-Abgabe hat sich als marktwirtschaftliches Instrument zur Senkung der CO2-Emissionen bewährt und ist deshalb ein klimapolitisches Instrument erster Wahl. Dank der CO2-Abgabe sind die Gebäudeemissionen in den letzten 10 Jahren um 20% zurückgegangen. Der Vorschlag des Bundesrats, den Abgabesatz auf max. CHF 210 zu erhöhen, wenn Zwischenziele nicht erreicht werden, ist deshalb sinnvoll. Gleichzeitig sollte es allen Unternehmen möglich sein, eine Zielvereinbarung mit Befreiung von der CO2-Abgabe, einzugehen.

Wir bitten Sie daher

  • Art. 31 zur CO2-Abgabe gemäss Mehrheit (Bundesratsvorschlag) zu unterstützen
  • und Art. 33b gemäss Vorschlag der Mehrheit zu streichen (um die Zielvereinbarungen allen Unternehmen zugänglich zu machen)

Gebäudesanierungen ankurbeln

Im Gebäudebereich liegen weiterhin grosse Effizienzpotenziale brach – so wird heute gerade mal 1% unseres Gebäudeparks energetisch saniert. Effizienzziele und die Weiterführung des Gebäudeprogramms bieten hier Hand zur Lösung.

Wir bitten Sie deshalb

  • bei Art. 9 ein Effizienzziel zu unterstützen, das verbindlich und rechtzeitig bis 2025 einen Effizienzgrenzwert pro m2 Gebäudefläche einführt
  • bei Art. 39 Abs. 5 gemäss Mehrheit für die Weiterführung des Gebäudeprogramms bis 2030 zu stimmen

Reduktionen im Verkehrsbereich sicherstellen

Der Strassenverkehr ist die grössten Emissionsquelle der Schweiz. Flottenziele setzen Anreize für Autoimporteure auf effizientere Motoren umzusteigen und helfen, die Elektromobilität zu beschleunigen.

Wir bitten Sie deshalb

  • bei Art. 10 Abs. 1 und 2 die Emissionsziele für Neuwagen gemäss Mehrheiten zu unterstützen – und damit die mit der Energiestrategie 2050 beschlossenen Emissionsziele zu bekräftigen
  • bei Art. 11 Abs. 2 gemäss der Mehrheit für eine Absenkung der Grenzwerte mindestens im Gleichschritt mit der EU zu stimmen
  • bei der Deckelung der Kompensationskosten für Treibstoffe in Art. 27 Abs. 3ter im Minimum die Minderheit III Vogler zu unterstützen

Technologiefonds stärken

Der Technologiefonds ermöglicht Klimainnovationen in der Schweiz: innovative Firmen werden in der Markteintrittsphase mit Bürgschaften gestützt – einer günstigen und effektiven Möglichkeit für den Staat, den Werkplatz Schweiz in einem Zukunftsmarkt zu stärken. Die Weiterführung des Fonds und die Erhöhung der Projektgrösse auf maximal 30 Mio. CHF macht Sinn, um auch Klimatechnologien von industriellem Massstab absichern zu können.

Deshalb bitten wir Sie

  • bei Art. 40 jeweils die Mehrheiten zu unterstützen

Für die Berücksichtigung unserer Darlegungen danken wir Ihnen herzlich und stehen für weitere Rückfragen gerne zur Ihrer Verfügung.

Für ein griffiges CO2-Gesetz

Sehr geehrte Frau Nationalrätin
Sehr geehrter Herr Nationalrat

Der im Oktober veröffentlichte IPCC-Bericht zeigt, dass die Anstrengungen gegen den Klimawandel weiter verstärkt werden müssen. Viele Unternehmen sind bereits aktiv geworden, und das ist dringend nötig. Gleichzeitig braucht es aber auch eine engagierte Politik, die sich an den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft und den vorhandenen technischen Lösungsmöglichkeiten orientiert. Wir bitten Sie deshalb, bei Ihren Entscheidungen zur Revision des CO2-Gesetzes unserem Aufruf zu folgen. 

Wir, die unterzeichnenden Wirtschaftsorganisationen, sehen den Klimawandel als Herausforderung und Chance zugleich. Ein klarer, ambitionierter Gesetzesrahmen stimuliert die Innovationskraft der Unternehmen, reduziert den Mittelabfluss und verhindert zugleich prohibitiv hohe volkswirtschaftliche Schadenskosten, die entstehen, wenn die Emissionen nicht schnell genug reduziert werden.

 Wir setzen uns deshalb ein

  • für ein CO2-Gesetz, das den Schwerpunkt auf Emissionsreduktionen im Inland legt
  • für die Weiterführung der CO2-Abgabe auf Brennstoffe gemäss Bundesratsvorschlag
  • für die frühzeitige Einführung von CO2-Grenzwerten für beheizte und gekühlte Gebäude
  • für Emissionsgrenzwerte für Neuwagen, die im Gleichtakt mit der EU gesenkt werden
  • für die Weiterführung des Gebäudeprogramms

 Deshalb bitten wir Sie

  •  bei Art. 3 Abs. 2 die Minderheit III Müller-Altermatt zu unterstützen, wonach die Verminderung der Treibhausgasemissionen zu mindestens 3/4 mit im Inland durchgeführten Massnahmen erfolgen soll
  • bei Art. 31 Abs. 2 die Mehrheit zu unterstützen, wonach der Bundesrat den Satz der CO2 -Abgabe auf maximal 210 Franken pro Tonne CO2  festsetzen kann
  • bei Art. 9 Abs. a ein Effizienzziel zu unterstützen, das einen Effizienzgrenzwert pro m^2  einführt; dieser Grenzwert sollte möglichst früh eingeführt werden können
  • bei Art. 10 Abs. 1 und 2 jeweils die Mehrheiten zu unterstützen und die Emissionsgrenzwerte für Neuwagen gemäss der Energiestrategie 2050 bekräftigen
  • bei Art. 39 Abs. 5 die Mehrheit zu unterstützen, wonach das Gebäudeprogramm weitergeführt werden soll

Die Argumente, die uns zu dieser Empfehlung führen, finden Sie auf dem beiliegenden Blatt zusammengefasst.

Der neue IPCC-Bericht empfiehlt, dass alle Länder bis 2050 CO2-neutral sein sollen. Wird dieses Ziel umgesetzt, führt dies mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu, dass ausländische Emissionszertifikate in Zukunft teurer werden – deutlich teurer als Massnamen in der Schweiz. Wir empfehlen aus diesem Grund, den Reduktionspfad so zu legen, dass auch die Schweiz um 2050 CO2-neutral sein kann. Wissenschaftlichen Abschätzungen nach kann dieses Ziel erreicht werden, wenn die Emissionen im Inland bis 2030 (gegenüber 1990) um 40 % oder mehr reduziert werden.

Auch aus Sicht der Schweizer Wirtschaft ist eine kontinuierliche Fortsetzung und Verstärkung der Klimapolitik sinnvoll. Mehrere Studien – sowohl öffentliche, wie auch solche, die unsere Mitglieder intern durchführten – zeigen, dass eine verbindliche Gesetzes- und Abgabenentwicklung den Unternehmen erlaubt, ihre Anpassung vorausschauend zu planen. Ambitionierte Emissionsreduktionen im Inland stimulieren zudem verschiedene Wirtschaftszweige – und das ohne Subventionen.

Die Potentiale für Emissionsreduktionen sind vorhanden, der Handlungsbedarf ist ausgewiesen, Gewerbe und Industrie in der Schweiz stehen bereit. Nutzen wir die Revision des CO2 -Gesetzes, um die Weichen richtig zu stellen – wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.

Viel Erfreuliches und ein paar Haare in der Suppe

Wer den heute veröffentlichten Bericht des Bundesamt für Energie (BFE) zur Energiestrategie 2050 liest, findet viele Gründe, um sich zu freuen. Alle Grafiken deuten darauf hin, dass die Schweiz auf Kurs ist und die gesetzten Ziele erreicht werden können.

Wer den Bericht mit Kontextwissen verknüpft, findet dennoch das eine oder andere Haar in der Suppe. So zeigt die untenstehende Grafik einen starken Anstieg der erneuerbaren Energien. Grundsätzlich erfreulich, aber mit einem Wermutstropfen: Die Windenergie kommt in der Schweiz immer noch nicht aus den Startlöchern. Dies wäre besonders wichtig, weil Windturbinen – im Gegensatz zu Wasserkraft- und Solaranlagen – ihr Produktionsmaximum im Winter haben. Natürlich trägt auch die Solarenergie zur Winterstormerzeugung bei – rund ein Drittel der Energieproduktion einer Solaranlage erfolgt im Winter. Weil aber gerade der Winterstrom für die Schweiz von Bedeutung ist, wäre eine Stärkung der Windenergie wünschenswert. Potential ist vorhanden, der Engpass scheint aber derzeit in den Bewilligungsverfahren zu liegen, die durch Einsprachen blockiert sind.

 

Es ist eine Tatsache, dass die Windenergie unter einem «not in my backyard»-Effekt leidet. Studien jedoch zeigen, dass dieser überwindbar und vor allem kleiner ausfällt als bei Kern-oder Gaskraftwerken. Es besteht also Hoffnung, dass auch in der Schweiz der Knoten platzt. In der Zwischenzeit gilt es, die Solarenergie weiter zu pushen, denn auch da ist nicht alles im grünen Bereich: Wegen der aktuellen Rahmenbedingungen werden vor allem kleinere Anlagen gebaut, die aber weniger wirtschaftlich produzieren.

swisscleantech ist daher der Meinung, dass die Rahmenbedingungen neu gelegt werden sollten: Investitionsbeihilfen sollten vor allem Anlagen bekommen, die dann produzieren, wenn die Knappheit am grössten ist – also im Winterhalbjahr. Dies ist insbesondere für den Herbst-, Winter- und Frühlingsstrom von Solaranlagen von grossem Interesse.

Klimaschutz: Zeit für Aufbruch ist gekommen

Der Klimawandel ist in vollem Gange und trifft auch die Schweiz. Klimaschutz ist daher umso wichtiger und schafft Chancen für Firmen. «Wir sind an einem Ort des Aufbruchs angekommen. Es ist Zeit für eine positive Vision», sagte Christian Zeyer, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes swisscleantech, an einer Veranstaltung am Dienstag im Kraftwerk in Zürich. swisscleantech-Präsident Matthias Bölke, Vice President Strategy, Business Excellence & Public Affairs Schneider Electric in den deutschsprachigen Ländern, fügte per Videobotschaft aus Berlin hinzu: «Klimaschutz ist global, aber der Beitrag dazu ist lokal.»

Wie das geht, zeigte zum Beispiel Paul Schär auf. Schär hat 2001 die 1848 Hector Egger Holzbau in Langenthal BE übernommen und auf inzwischen 120 Mitarbeitende ausgebaut. Bauen mit Holz ist für ihn ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz: Das verbaute Holz speichert CO2 dauerhaft. Schär sieht dafür in der Schweiz noch ein grosses Potential. Der Anteil des Holzes am Bauvolumen sei mit bis zu 16 Prozent nur halb so hoch wie in Österreich. In Norwegen betrage der Holzanteil sogar 80 Prozent. Dabei könnte in der Schweiz bis zu 30 Meter hoch nach den gleichen regulatorischen Vorgaben gebaut werden wie mit Beton. Schär geht in seinen eigenen Werken noch weiter: Seine Gebäude erzeugen 30 Prozent mehr Strom, als sie brauchten, die Holzschnitzel würden für Fernwärme genutzt. Sein nächstes Projekt sei es, den eigenen Strom auch zu speichern.

Martin Kyburz setzt bei der Mobilität an. Der Gründer von Kyburz Switzerland in Freienstein ZH mit mehr als hundert Beschäftigten stellt Elektrofahrzeuge her. Seit Jahren fahren die Postboten der Schweizerischen Post auf seinen Dreirädern, die alten Schweizer Dreiräder werden für die ungarische Post aufgefrischt und mit einer Garantie versehen, selbst in Australien kann Kyburz nun einen Servicebetrieb für seine Exporte aufbauen. Insgesamt hat er bereits mehr als 16.000 Fahrzeuge verkauft. Kyburz hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 26 Millionen Franken erzielt, rechnet mit 34 Millionen in diesem Jahr und erwartet 45 Millionen im nächsten. Seine Fahrzeuge seien umweltfreundlich, sicher und kosteneffizient, sagt Kyburz.

Reto Ringger geht davon aus, dass die derzeitige Disruption, der tiefgreifende Wandel in vielen Branchen, verstärkt zugunsten des Umweltschutzes eingesetzt werden muss. «Es braucht eine positive Disruption, die die Grenzen des Planeten berücksichtigt», sagte der Gründer der Globalance Bank in Zürich. Allerdings liege gerade seine Branche dabei weit zurück. Die meisten Finanzunternehmen seien wenig transparent, welche Wirkung die von ihnen verwalteten Gelder erzielten.

 

Podiumsdiskussion über Innovationspotenzial der Schweiz

Jürg Grossen, selber Unternehmer, Nationalrat und Präsident der Grünliberalen, sieht gerade auch die Politik gefordert. «Es braucht klare Anreize und Bepreisungen.» Das CO2-Gesetz, das nun in den Nationalrat komme, sei dabei viel zu wenig ambitioniert. «Dabei hätte die Schweiz als Innovationsland hier grosses Potenzial gehabt.»

Sein liberaler Basler Nationalratskollege Christoph Eymann vermutet, dass der Bundesrat ganz pragmatisch eine Niederlage in einer Referendumsabstimmung vermeiden wolle. Es brauche aber «andere Allianzen» im Klimaschutz. «swisscleantech ist eine solche Organisation, denn sie paart Unternehmertum und ökologisches Bewusstsein», so Eymann.

Der Bundesrat schlägt im neuen CO2-Gesetz vor, dass der CO2-Ausstoss der Schweiz bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 verringert wird, davon zu 30 Prozent im Inland. swisscleantech will hingegen 40 Prozent im Inland verringern.

Dokumente zum Download

«Klimaeffizienz dank Holzbau»
Präsentation von Paul Schär, CEO Hector Egger Holzbau

«Erfolg auf drei Rädern»
Martin Kyburz, CEO Kyburz Switzerland AG

«Disruption in der Wirtschaft: Chance für unseren Planeten?»
Reto Ringger, Gründer & CEO Globalance Bank

Die Energie-Verordnungen brauchen Nachbesserungen

Eine erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie 2050 braucht optimale Rahmenbedingungen. Mit der aktuellen Revision der Energie-Verordnungen wird dieses Ziel nicht erreicht.

In der Energieförderungsverordnung wird vorgeschlagen, die Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen zu senken. Dies ist nicht angebracht, denn unter den aktuellen Rahmenbedingungen besteht dazu kein Spielraum. Hingegen gilt es, die Bewilligungspraxis für Photovoltaikanlagen zu vereinfachen, damit deren Kosten weiter gesenkt werden können. Es muss möglich sein, PV-Anlagen sehr einfach in den Bau zu integrieren – so wie dies heute mit sanitären Anlagen der Fall ist.

In der Energieverordnung werden die Spielregeln für den Zusammenschluss zum Eigenverbrauch präzisiert. Wir begrüssen es, dass mit den neuen Regeln die Abnehmer, die Solarstrom beziehen, aus einem grösseren Umkreis mit einbezogen werden können. Zugleich sehen wir Möglichkeiten für weitere Anreize, um diese Zusammenschlüsse zu fördern.

Im St. Galler Energiegesetz ist mehr Klimaschutz nötig

Um die vom Volk klar angenommene Energiestrategie 2050 umzusetzen, braucht es Massnahmen und ambitionierte Zielsetzungen für eine Dekarbonisierung im Gebäudebereich. Die MuKEn 2014 stellen dazu einen ersten wichtigen Schritt dar.

Die vorgeschlagene Revision des Energiegesetzes, mit welcher der Kanton St.Gallen die MuKEn 2014 umsetzt, reicht dazu allerdings nicht aus. Weitere und ambitioniertere Schritte sind erforderlich, vor allem bei fossilen Heizungen.

Ökonomische wie ökologische Gründe sprechen heute gegen den Einsatz fossil betriebener Heizungen bei Neubauten. Das Hauptproblem sind bestehende Gebäude ‒ sie werden noch zu über 80% fossil beheizt. Um die Sanierungsrate zu erhöhen, braucht es deshalb verbindliche Vorschriften. Konkret sind beim Ersatz von Heizsystemen nicht-fossile Alternativen vorzusehen, soweit dies technisch möglich ist und zu keinen Mehrkosten führt.

 

Richtige Anreize für die Energiewende setzen

Die Grundaussagen der SES-Studie können in einem Satz zusammengefasst werden: Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht in der Schweiz nicht schnell genug und die Investitionsbedingungen bieten kaum Anreize, um hierzulande kostengünstige, grosse PV-Anlagen zu bauen. Tatsächlich bestätigt diese Aussage auch die Resultate, die swisscleantech im laufenden Jahr in Zusammenarbeit mit Firmenvertretenden an mehreren Fokusgruppen herausgearbeitet hat.

swisscleantech teilt im Grundsatz die Einschätzungen der Studie: Die aktuelle Energiepolitik bietet in der Schweiz schlechtere Bedingungen als im Ausland. Das wird zu einer Importstrategie führen. Solange die Transportleitungen freie Kapazitäten haben und sich in Europa keine protektionistischen Tendenzen durchsetzen, mag das die günstigste Strategie sein. Sie bietet jedoch keine Gewähr, dass CO2-freier Strom für die Schweiz zur Verfügung steht und birgt ausserdem ein Versorgungs- und Reputationsrisiko. swisscleantech ist der Meinung, dass dieses Risiko vermieden werden sollte.

Aus der Sicht von swisscleantech wird in der Studie jedoch zu wenig differenziert aus einer Nachfrageoptik argumentiert. Die Förderpolitik der Schweiz sollte sich vermehrt auf die Entschädigung der Stromproduktion im Winter ausrichten. Die hohen Entschädigungen für die Windkraft, die im Winter immerhin zwei Drittel ihrer Gesamtproduktion erzeugt, sind deutlich weniger problematisch als die etwa gleich hohen Entschädigungen für neue kleine Wasserkraftwerke. Denn die Wasserkraft hat ihr Produktionsmaximum im Sommerhalbjahr.

Auch die Solarenergie produziert natürlich im Sommer am meisten Energie. Aber wie die Studie sehr gut darstellt, produzieren Solaranlagen auch im Winter und die Anlagen können für diese Saison optimiert werden. Die Solarenergie könnte bald zu einem sehr wichtigen Pfeiler für die Stromversorgung im Winter werden.  

Allgemein gilt: Eine konsequente Schweizer Energiepolitik sollte darauf basieren, dass die Anforderungen an die Eigenstromversorgung – insbesondere im Winter – politisch festgelegt werden. Anhand der definierten Eigenstromversorgung gilt es, einen Ausbaupfad zu bestimmen und die richtigen, marktwirtschaftlichen Anreize zu setzen, damit die Anlagen möglichst kosteneffizient zugebaut werden.

Davon sind wir in der Schweiz im Moment noch meilenweit entfernt.

 

Quellen:

Zur Studie: «Photovoltaik als kostengünstigste Stromquelle dauerhaft blockiert? Analyse der Mittelverwendung aus dem Netzzuschlag 2008-2019 und Vorschläge zur Optimierung» 

Versorgungssicherheit: Ausbau von erneuerbaren Energien nötig

Die Frage des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien ist ein Wettlauf gegen die Zeit. In der Theorie könnte der Markt über den Zerfall der bestehenden Produktionskapazitäten und die dadurch folgenden Preissteigerungen durchaus in der Lage sein, den Zubau nützlicher Kapazitäten sicherzustellen. Voraussetzung wäre, dass der europäische CO2-Preis eine ausreichende Höhe erreicht und Knappheitspreise zugelassen werden. Die Frage ist, was passiert, wenn eine oder beide dieser Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Wird es unter diesen Umständen gelingen, die CO2-Emissionen aus der Stromversorgung schnell genug zu senken?

Gelingt dies nicht, sind die dadurch entstehenden externen Kosten gross – europaweit gesehen resultiert ein grosser Teil der CO2-Emissionen aus der Produktion von Strom. In Deutschland beispielsweise stammt mehr als ein Drittel der THG-Emissionen aus dem Kraftwerkspark. Das Pariser Klimaabkommen ist nicht einzuhalten, wenn das Angebot an erneuerbaren Energien nicht drastisch erweitert wird, da gleichzeitig neue Verbraucher aus Verkehr und Gebäudeheizung in Zukunft auf Strom setzen sollen. Es erscheint aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive sinnvoll, den Zubau von erneuerbaren Energien durch geeignete Methoden zu fördern. Denn Null-Grenzkosten-Märkte gibt es viele und sie bedürfen meistens gewissen Hilfskonstruktionen. Warum sollte dies im Strommarkt anders sein? Quoten und Auktionen sollten in Betracht gezogen werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Mitnahmeeffekte möglichst klein gehalten werden.

In der Schweiz stellt sich die Frage zum Ausbau der erneuerbaren Energien besonders akzentuiert. Aufgrund der aktuellen Fördersituation hat sich der Zubau von grossen PV-Anlagen in den letzten Jahren halbiert. Aktuell werden vor allem kleine Anlagen realisiert, die aber deutlich teurer produzieren als grosse Anlagen. Windkraftanlagen werden kaum gebaut – wobei da nicht nur die mangelnde Rendite ein Nadelöhr darstellt, sondern auch die komplexe Bewilligungspraxis. Ohne Investitionsbeihilfen können in der Schweiz jedoch keine Windenergieanlagen gebaut werden. Auch bei der Wasserkraft zeichnet sich ab, dass nach Auslaufen der KEV keine neuen Anlagen gebaut werden. Diese Situation könnte dazu führen, dass die Ziele der Energiestrategie 2050 für das Jahr 2030 nicht erfüllt werden. Rein ökonomisch gesehen, könnte man auf den Zubau im Ausland setzen und importieren. Aber dies ist eine Wette auf Zeit. Aus der Sicht von swisscleantech muss rechtzeitig auf das Ende der kostendeckenden Einspeisevergütung ein alternatives, marktnäheres Modell zur Verfügung stehen.

 

(Dieser Blogbeitrag beruht auf den Erkenntnissen einer Weiterbildung, welche am 23. Oktober von swisscleantech und Swisspower durchgeführt wurde. Weitere Partner der Veranstaltung waren Swissolar und Suisse-Eole)

Ausdauer ist auch bei der Stromversorgung wichtig

Der Gepard ist das schnellste Landtier überhaupt. Er kann seine Leistung aber nur über kurze Zeit zur Verfügung stellen. Danach ist er so erschöpft, dass er sich mehrere Tage ausruhen muss. Es wird sogar gesagt, dass ein Gepard, der mehrmals nicht in der Lage war, seine Beute zu schlagen, ob dieser Verausgabung stirbt.

Ganz so schlimm ist es mit der Schweizer Stromversorgung nicht. Ähnlichkeiten sind jedoch vorhanden. Zu Recht sagt das Bundesamt für Energie (BFE), die Schweiz hätte auch in Zukunft kein Leistungsproblem. Installiert sind nämlich 16 GW, maximal nachgefragt aber nur 11 GW. Die Frage ist: Wie lange würde die Schweiz diese Vollleistungsproduktion durchhalten?

Die Milchbüchleinrechnung zeigt folgendes Bild: Unsere Speicherseen speichern, wenn sie voll sind, rund 8 TWh Energie. Das sind unsere einzigen Fettreserven – und sie reichen für eine Vollversorgung von knapp 800 Stunden. Da das Winterhalbjahr aber mehr als 4000 Stunden dauert, reicht das nicht weit. Und am Ende des Winterhalbjahres, wenn der Speck schon fast aufgebraucht ist, kann die Vollversorgung immer weniger lang aufrechterhalten werden.

Diese Überlegung zweigt zwei Dinge: Die Überlegung des BFE, eine Stabilitätsreserve einzurichten, ist erstens richtig, zweitens aber nicht ausreichend. Um durch den Winter zu kommen, müssen wir unsere Fettreserven strecken. Entweder durch Importe oder durch zusätzliche Produktion. Bezüglich der Importe gibt es sowohl physikalische wie auch politische Limitierungen. Sich also alleine auf Importe zu verlassen, ist problematisch.

Der Ausbau der eigenen Produktionsinfrastruktur bleibt wichtig und genau da bleibt das Stromversorgungsgesetz Antworten schuldig. Das ist gefährlich, denn die Investitionsbedingungen für Kraftwerke in der Schweiz sind ungenügend. 

Der Schweizer Stromversorgung darf es nicht wie dem Gepard gehen, der irgendwann vor Erschöpfung zum Stillstand kommt.

Freuden und Leiden der Strommarktliberalisierung

Die Liberalisierung muss kommen, wenn die Schweiz irgendwann mit Europa ein Strommarktabkommen abschliessen will. Ein solches Abkommen ist wichtig, damit die Schweizer Stromversorgung langfristig gesichert bleibt und unsere einheimischen Produzenten für Spitzenlast profitabel arbeiten können.

Die vollständige Liberalisierung würde aber auch dazu führen, dass der ökonomische Druck auf unsere einheimischen Produzenten weiter steigt. Denn bisher konnten über die sogenannten gebundenen Kunden – also jene die von der Liberalisierung nicht profitieren konnten – Eigenproduktion zu Gestehungskosten verkauft werden. Nun soll dieser Strom in einer Grundversorgung abgesetzt werden. In dieser bleibt aber nur, wer sich nicht um ein günstigeres Angebot kümmert.

In Deutschland waren 2014 – fünf Jahre nach der Liberalisierung – noch etwa 30% aller Stromkunden in der Grundversorgung. Die anderen hatten gewechselt. Für die Schweiz hiesse das: Noch etwa 1/6 der Schweizer Stromproduktion könnte maximal über die Grundversorgung abgesetzt werden. Heute ist es noch die Hälfte. Es ist offensichtlich, dass dies bei den heutigen Strompreisen zu weiteren Defiziten bei den Stromproduzenten führen wird.

Natürlich ist es ein Gebot der Fairness, dass die gebundenen Kunden nicht länger diese Zeche bezahlen müssen. Andererseits: Können Investitionen in unsere Wasserkraftanlagen nicht mehr getätigt werden, wird sich das negativ auf unsere Versorgungssicherheit auswirken. Das wäre gefährlich.