Die Energiewende nach der Wendewahl

Niemand wird es bestreiten können: Politisch stellt die Wahl vom 17. Oktober eine Zäsur in der Energiepolitik dar. Die knappe, jedoch stabile Mitte-links-Mehrheit für energiepoltische Vorlagen ist wie Schnee an der Sonne geschmolzen und hat einer wackeligen Pattsituation platz gemacht, die jede Abstimmung zu einer Zitterpartie macht. Aus einer breiteren Perspektive betrachtet, zeigt diese Wahl jedoch nur das, was man schon lange hätte wissen müssen: Die Schweiz ist in ihrer Mehrheit bürgerlich dominiert, die Städte sind eher Mitte-links orientiert, das Umland und die Landschaft wählt eher Mitte-rechts. In einem Konkordanzsystem führt dies zu einer Pattsituation, wo schon Verschiebungen um wenige Prozente als Richtungswahl bezeichnet werden. Wer jeweils oben aus schwingt – das bestimmt die Grosswetterlage. Vor vier Jahren war die «Fukushima Wahl», heuer ist die «Asyl Wahl».

Energiewende: Zeithorizont 40 J

Man könnte nun argumentieren, dass das Bündnis aus Links-Grün und Mitte-Parteien die Gunst der Stunde besser hätte nutzen sollen. Diese Analyse greift aber zu kurz. Schon der Titel der aktuellen Debatte weist den Weg. Die Energiestrategie 2050, um die sich die aktuelle Diskussion dreht, ist ein Grossprojekt mit einem Zeitrahmen von über 40 Jahren. Denn eigentlich wurde die Basis dazu nicht nach dem Kernkraftunfall in Fukushima gelegt. Die ersten Analysen welche das Beratungsbüro Prognos im Auftrag des Bundes durchführten, sollten die Frage beantworten, wie die Schweiz den Klimawandel bekämpfen könnte. Diese Untersuchungen wurden in den Nullerjahren durchgeführt und prägen die Energiepolitik der Schweiz bis heute.

Der Einfluss des Unfalls in Fukushima

Der Unfall in Fukushima veränderte die Ausgangslage nur insofern, als plötzlich vielen klar wurde, dass die Kernkraftwerke in Zukunft wohl keinen Beitrag zu diesem Kampf mehr leisten würden. Dieses Thema – obwohl in der Diskussion immer im Vordergrund – betont die Bedeutung der Kernkraftwerke viel zu stark. Vergessen wir nicht: rund 80 Prozent unseres Energieverbrauchs decken wir fossil und nur etwa 10 Prozent mit Kernenergie. Die Energiewende war deshalb schon immer ein Projekt, bei dem es um den Ausstieg aus dem Verbrauch der fossilen Energien UND aus der Kernenergie geht.

Konsens als Basis

Aus dieser Perspektive betrachtet stellt sich die Frage ganz anders: Kann man eine so langfristige Strategie umsetzen ohne sich auf einen gesamtgesellschaftlichen Konsens ab zu stützen? Ein Blick in andere Länder zeigt es sehr deutlich: Eine nachhaltige Energiepolitik kommt in denjenigen Ländern voran, in denen es gelungen ist das Thema über die rechts–links Grenzen hinaus zu verankern. Nehmen wir Dänemark, das seit Jahren einen klaren Energiewendekurs fährt, obwohl die Regierungen wie Windfahnen von rechts nach links und zurück nach rechts schwenken. Oder blicken wir nach Deutschland wo die CDU die Gegner der Energiewende praktisch marginalisiert hat und wo im Moment die SPD, die klar hinter der Energiewende steht, händeringend nach Lösungen sucht, wie man die Interessen der Kumpel im Braunkohleabbau mit den Klimazielen unter einen Hut bringen kann.

Uneinige Gegner

So gesehen liegt die Problemlage in der Schweiz ganz anders. Genau wie vor Fukushima stellt sich in der Schweiz auch heute die Frage, was getan werden muss, um die Energiewende aus dem links-rechts Schema herauszulösen. Hilfreich könnte dabei sein, dass auch die beiden Gegner der Energiewende in der Schweiz sich nicht einig sind, wohin die Reise gehen soll. Während die SVP nach wie vor auf Kernkraftwerke setzt, setzen gewichtige Vertreter der FDP auf eine Importstrategie. Ein Lösungsorientierter Konsens, der über die Ablehnung der Energiewende hinaus geht, zeichnet sich jedoch nicht ab.

Wahlen als Chance begreifen

Vielleicht besteht eine Chance darin, dass die Energiewendegegner beginnen, die Vorurteile gegen die erneuerbaren Energien abzubauen. Dann würde man merken, dass die erneuerbaren Energien die berechtigten Interessen der SVP nach einer hohen Eigenversorgung genau so befriedigen können wie die Interessen der FDP, für welche Versorgungssicherheit und Kostenvorteile im Vordergrund stehen. Beide Interessen können jedoch nur durch eine kluge Energiepolitik unter einen Hut gebracht werden. Eine «laissez–faire Politik» hilft weder den einen, noch den andern.

Erst wenn es gelingt, die Energiewende aus dem links-rechts Schema zu befreien, entsteht eine Basis, die breit genug ist, damit die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden kann. Damit kann man die Wendewahl vom Oktober auch als Chance begreifen. Denn eine Energiewende ohne überzeugende Basis ist zum Scheitern verurteilt.

Erneuerbar Energien weltweit auf dem Vormarsch: DIE FAKTEN

Nach wie vor ist die wichtigste erneuerbare Energie die Wasserkraft. 2013 wurden 16.6% der Elektrizität durch Wasserkraftanlagen hergestellt (Quelle: IEA Electricity Information 2015). Die IEA (International Energy Agency) erwartet, dass sich die Produktionskapazität der Wasserkraft bis 2050 verdoppeln wird (Quelle: IEA Technology Roadmap: Hydropower).

PV-Anlagen: von 1 auf 200 in 13 Jahren

Noch hat Solarstrom nicht die gleiche Bedeutung wie Wasserkraft. Dafür wächst die Solarstrom Produktion rasend schnell. Noch um die Jahrtausendwende spielte Solarstrom nur eine untergeordnete Rolle. 2001 waren nur gerade Solaranlagen von 1.1 GW Leistung weltweit am Netz. Dies entsprach ungefähr der Leistung eines Kernkraftwerkes. Im Jahr 2014 war diese Leistung bereits auf 200 GW angewachsen.

Längst findet der Zubau von Solarenergie nicht mehr nur in Deutschland statt. Zwar ist die installierte Leistung in Deutschland mit 38.2 GW nach wie vor am grössten (Quelle: Statista).  Heute gehen jedoch mehr Anlagen in China, Japan und in den USA ans Netz. Im Jahr 2013 allein entsprach der weltweite Zubau der Leistung über 30 Kernkraftwerken (Quelle: Earth Policy Institute).

Sinkender Preis senkt Vergütung dramatisch

Parallel dazu sind die Herstellungspreise der Anlagen gesunken. Am besten kann man das an der Reduktion der Einspeisevergütung in Deutschland sehen. Diese stellt sicher, dass die Anlagenbetreiber ihre Anlage ohne Verlust betreiben können. Sie ist also ein gutes Mass für Produktionskosten. In der Zeit zwischen 2004 und 2014 wurde diese Vergütung für grosse Anlagen (grösser als 1 MW Leistung) von 0.55 Euro pro kWh auf unter 0.10 Euro pro kWh gesenkt (Quelle: JM ProjektInvest). Strom von PV-Anlagen ist damit heute etwa gleich teuer wie Strom aus einem Gaskraftwerk. In diesen Kosten sind die Klimakosten des Stroms aus Gaskraftwerken allerdings noch nicht einberechnet.

Kontinuierliches Wachstum bei Windkraft

Etwas weniger stürmisch, dafür sehr kontinuierlich und auf höherem Niveau verlief die Entwicklung bei der Windkraft. Trotzdem sind die Zahlen eindrücklich, hat doch die installierte weltweite Kapazität in den letzten 10 Jahren um das Achtfache zugenommen. 2014 waren Windenergieanlagen von 380 GW am Netz. Dies entspricht annähernd der Leistung aller Kernkraftwerke weltweit.

Stromproduktion aus Windkraft

Auch die Menge des inzwischen mit Windenergie hergestellten Stroms ist beeindruckend. In den europäischen OECD-Ländern alleine wurden 2014 mit Windturbinen 250 TWh Strom erzeugt (Quelle: IEA „Renewable electricity generation climbs to second place after coal“). Dies entspricht dem vierfachen Stromverbrauch der Schweiz. In Europa stammen bereits 7% des Stroms aus Windkraftwerken. Im Jahr 2000 lag der Anteil erst bei 0.7%. Nach wie vor sind die Windenergiepotentiale in Europa bei weitem nicht ausgeschöpft. Auch bezüglich der Kosten hat die Windenergie die Nase vorn. Die Produktionskosten einer Kilowattstunde Strom liegen in Dänemark heute bei etwa 0.05 Euro pro kWh.

Weltweiter Aufbruch

Der schnelle Ausbau der Solarenergie- und Windkraftkapazitäten ist kein Europäisches Phänomen. Sowohl in Indien wie auch in China ist die Stromproduktion aus Sonnenenergie und Windkraft heute grösser als die Produktion aus Kernkraftwerken (Quelle: EPI).

China und Indien: mehr Wind- und Sonnenstrom als KKW-Strom

In China nahm die Stromproduktion aus Solarenergieanlagen zwischen 2003 und 2013 um den Faktor 333 zu, diejenige aus Windkraftanlagen um den Faktor 161. In Indien sind die Zahlen etwas weniger extrem – zumindest was die bisher dominierende Windenergie anbelangt. Hier stieg die Produktion im gleichen Zeitraum „nur“ um das Neunfache. Enorm ist jedoch das Wachstum der Solarenergie: diese nahm im gleichen Zeitraum um den Faktor 382 zu.

Gemessen am immensen Potential ist jedoch die aktuelle weltweite Produktion immer noch klein. Das Wachstum ist noch lange nicht vorbei, auch wenn im nächsten Jahrzehnt kaum mehr eine Steigerung der Produktion um das Hundertfache erwartet werden kann.

Lichttechnik zeigt was mit Innovation möglich ist

Noch nicht allzu lange ist es her, da konnte man nur zwischen dem kalten Licht einer Neonröhre und dem angenehmen Licht der Glühlampe wählen. Entschied man sich für die Glühbirne, bedeutete dies gleichzeitig, 90% des eingesetzten Stroms in der Glühbirne in Wärme umzuwandeln.

Effizienzanforderungen als Geburtshelfer

Nicht zuletzt dank verschärften Effizienzanforderungen entwickelte sich die LED-Technik in rasendem Tempo von der exklusiven Spotbeleuchtung zum Massenprodukt. Die Vorteile der LED Lampen sind tatsächlich bestechend: LED-Lampen sind fünfmal effizienter als Glühlampen und sind in der Lage, Licht in verschiedenen Farben zu produzieren – auch Licht, das sehr ähnlich ist wie Sonnenlicht.

Potential der Leuchtdiode massiv unterschätzt

Gerade die Tatsache, dass LED heute in allen Faben zur Verfügung stehen zeigt, wie dynamisch Innovation sein kann. Noch 1992 waren Leuchtdioden, die auch auf LED-Technik beruhten, nur in roter Farbe zu haben. Das Effizienzpotential liess sich schon damals erahnen, jedoch wurde in der Literatur festgehalten, dass es wohl bedauerlicherweise kaum möglich sei, Dioden mit weissem Licht herzustellen. Und wenn es denn überhaupt möglich würde, weisse Dioden in genügender Qualität und Grösse herzustellen, würde der Stückpreis so hoch sein, dass es unwahrscheinlich sei, daraus Lampen herzustellen. Wie sich die Autoren täuschten! Heute ist die LED-Lampe allgegenwärtig.

Bereits neue Technologien erhältlich

Doch bereits drängen neue Technologien auf den Markt. Da wäre einerseits die OLED-Beleuchtung, die organische Schwester der LED. Mit OLED-Beleuchtung wird es erstmals möglich sein, grosse Leuchtflächen in verschiedenen Farben aus einem Stück herzustellen. Andererseits macht sich seit einem halben Jahr ein Leuchtmittel mit dem Namen LCC (Laser Crystal Ceramics) auf den Weg, den Markt zu erobern. LCC–Lampen sind noch effizienter als LED-Lampen und haben ein grosses Potential, die Glühlampe endgültig zu verdrängen. Sie leuchten in einem angenehm warmem Licht , können gedimmt werden und benötigen keine komplizierte Elektronik.

Die intelligente Lampe

Doch damit nicht genug: Lampen werden nicht nur immer effzienter, sie werden auch intelligenter. Dass es heute Glühlampen gibt, die einen integrierten Lautsprecher haben, mag eine Spielerei sein. Doch wenn Lampen heutzutage in der Lage sind, die Musik von dem Smartphone wiederzugeben, welches sich im selben Raum befindet, was wird dann in Zukunft noch möglich sein? Werden wir in ein paar Jahren uns daran gewöhnt haben, dass man Lampen nur noch ausschalten muss, wenn man schlafen geht? Was, wenn Lampen sich den Rest des Tages an der Anwesenheit und an der benötigten Lichtstärke orientieren, sogar untereinander kommunizieren, sodass das Licht uns begleitet? Und was, wenn weitere Sensoren für Temperatur, Feuchtigkeit und Luftqualität in der Lampe integriert sind und diese Informationen dazu verwendet werden, Komfort und Sicherheit im Haus zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken?

Sparpotential dank Bewegungsmelder

Keine Idee, die so weit hergeholt ist. Bereits heute gibt es Strassenlampen, die über Sensoren wahrnehmen, ob Fussgänger unterwegs sind und in welche Richtung sie sich bewegen, um so das Licht entsprechend anzupassen. Das Einsparpotential solcher Lampensysteme liegt bei 70%. Ein Potential, das man nicht vernachlässigen sollte, wenn man bedenkt, dass die die Beleuchtung einer 200m langen Strasse pro Jahr einen gleich grossen Stromverbrauch haben kann wie ein Haushalt.

Sicherlich darf man solchen Neuerungen nicht unkritisch gegenüberstehen. Es werden sich damit neue Herausforderungen für die Datensicherheit stellen. Diese Frage muss man ernst nehmen. Aber dennoch: wenn eine simple Lampe eine solche schwindelerregende Entwicklung durchlaufen kann, was ist dann in Zukunft noch alles möglich?

Ständerat verpasst Chancen bei der Energie-Effizienz

Von den drei Pfeilern der Energiestrategie 2050 – Erneuerbare, Effizienz und geordneter Ausstieg aus der Kernenergie – hat der Ständerat alleine bei den Erneuerbaren ein klares Zeichen gesetzt.

«Die Ständeratsdebatte hat gezeigt, dass neue Kernkraftwerke definitiv kein Thema mehr sind. Dies bestätigt unsere langjährige Position», sagt Nick Beglinger, Präsident von swisscleantech. Erfreulich ist auch, dass die Erhöhung des maximalen KEV-Zuschlags vom Ständerat deutlich angenommen wurde. Er votiert damit gegen eine reine Importstrategie und für mehr Wertschöpfung in der Schweiz.

Im Widerspruch zur positiven Grundhaltung wurde leider die Chance verpasst, klare Leitplanken für den geordneten Ausstieg aus der Kernenergie zu setzen. Die Energiewirtschaft hat so keine Planungsperspektiven erhalten.

Bedauerlich ist zudem, dass bei der Energie-Effizienz, als wichtigstes Element der Energie-strategie, die Chance verpasst wurde, klare Richtlinien zu setzen. Energiesparen befürworten alle, vor konkreten Massnahmen drücken sich die Ständeräte jedoch. So hat der Ständerat heute leider konkrete Vorgaben zugunsten der Energieeffizienz bei der Gebäudetechnik und bei den kleinen Stromverbrauchern aus der Vorlage gestrichen. Wie das verabschiedete Effizienzziel erreicht werden soll, wenn keine Massnahmen zur Förderung der Effizienz im Gesetz verankert sind, beantwortet der Ständerat dabei unzureichend.

Der Flugpionier Bertrand Piccard, Patronatsmitglied von swisscleantech, äusserte sich anlässlich eines Besuches im Parlament ganz klar: «Solar Impulse könnte nie Tag und Nacht nur anhand Solarenergie fliegen, wäre das Flugzeug nicht extrem energieeffizient». Genauso ist es mit der Energiestrategie des Bundes. «Nur wenn Effizienz und die Produktion von Erneuerbarer Energie gemeinsam angegangen werden, kann die Energiestrategie 2050 zum Erfolg werden», unterstreicht Beglinger.

swisscleantech appelliert an den Nationalrat, bei der Differenzbereinigung korrigierend einzugreifen. Andernfalls ist zu befürchten, dass aus der Energiewende eine Anbauschlacht für Erneuerbare Energien wird. Das entspricht nicht einer nachhaltigen Entwicklung.

 

Licht und Schatten in der Ständeratsdebatte zur Energiestrategie 2050

Erfreulich ist, dass kaum jemand bezweifelt, dass die Energiewende bereits im Gang ist. Positiv ist auch, dass die Erhöhung des maximalen KEV-Zuschlags vom Ständerat deutlich angenommen wurde. Dies war nicht zuletzt möglich, weil der Ständerat im gleichen Zug beschloss, eine Unterstützung für bestehende Wasserkraftwerke in Notlage einzuführen. swisscleantech erachtet diese Förderung als sinnvoll. Allerdings darf die damit einhergehende Einzelfallprüfung der betroffenen Kraftwerke nicht zu unnötigem, bürokratischem Aufwand führen.
Gleiches gilt auch für die beschlossene Direktvermarktung von Erneuerbaren Energien. Zwar bringt dieses System die KEV sinnvollerweise näher an den Markt. Gleichzeitig steigt aber, vor allem für kleine Produzenten, der Aufwand für den Energieverkauf massiv. Hier ist eine Korrektur des Systems angebracht, welche vom Ständerat im Rahmen der Debatte auch so festgehalten wurde.

Gleichzeitig schwächt der Ständerat die Energiewende, indem er an einigen Orten hinter die Vorlage des Nationalrates zurückgekrebst. So ist es nicht nachvollziehbar, dass er das Ausbauziel für Erneuerbare Energien um 30% reduziert hat. Mit dem vom Ständerat festgelegten Ziel kann gerade knapp die Hälfte der Produktion der Kernkraftwerke durch den Neubau von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, Wind- und Solarenergie ersetzt werden – der Rest muss wohl importiert werden.

Bei der morgigen Debatte steht für swisscleantech die Energie-Effizienz im Zentrum. Während die Industrie bereits einiges unternimmt und Programme zur Gebäudesanierung heute schon existieren, gilt es nun auch in den Bereichen Verkehr, Gebäudetechnik und kleinen Stromkonsumenten Massnahmen zu beschliessen.

 

Neue Kernkraftwerke: Positivkriterien statt Technologieverbote

Das Resultat, welches wir als «Positivkriterien» bezeichnen, lässt sich auch auf andere Technologien übertragen. In letzter Zeit wird vor allem von den Gegnern der Energiewende argumentiert, man dürfe kein Technologieverbot für Kernkraftwerke aussprechen, weil deren kommende Generationen vielleicht eine Option für die Energieerzeugung in der Schweiz darstellen könnten.

 

Konzepte wenig weit fortgeschritten

Wer sich über die Entwicklung dieser sogenannten Generation-IV-Reaktoren kundig macht, stellt aber sehr schnell fest, dass keines dieser Konzepte sehr weit gediehen ist. Mindestens 30 Jahre werden vergehen, bevor ein solcher Reaktor – als Standard und in jeder Hinsicht geprüft – zur Verfügung steht.

Probleme von heutigen Reaktoren geerbt

Es stellt sich aber auch die Frage, ob die neuen Anlagendesigns die notwendigen Verbesserungen auch wirklich mit sich bringen. Viele der heute bekannten möglichen Anlagendesigns erben Eigenschaften, welche an aktuellen Generation-III-Reaktoren kritisiert werden. Es stellt sich also die Frage, welche Anforderungen an neue Reaktoren gestellt werden müssten, damit diese eine sinnvolle Ergänzung des Kraftwerksparks darstellen.

Kriterienkatalog notwendig

Auch swisscleantech ist aus prinzipiellen Überlegungen gegen ein Technologieverbot. Denkverbote sind einem innovativen Klima nicht zuträglich. Der Weg führt deshalb über Zulassungskriterien. swisscleantech hat die aktuellen wie auch die heute bekannten, zukünftigen Reaktortypen analysiert. Auf der Basis dieser Arbeit haben wir Positivkriterien erarbeitet. Erfüllt eine Anlage diese Kriterien, kann sie als sicher eingestuft werden. Keines der aktuellen Entwicklungsprojekte kann allen Kriterien gerecht werden.

Die acht Positivkriterien sind:

  1. Die Anlagen müssen wirtschaftlich sein. Die Kosten der erzeugten Energie müssen voll durch den Erlös getragen werden. Als Kosten gelten:a Laufende oder Marginale Kosten, inklusive Kosten für die Entsorgung von Abfällen

    b Amortisations- und Fianzierungskosten

    c Rückstellungen für nachgelagerte Kosten wie Abbruch und Rückbau

    d Risikokosten bzw. Versicherungsprämien auf das volle Risiko und Umweltkosten

  2. Für den Betrieb ist eine breite Rohstoffbasis vorhanden. Es lohnt sich nicht in eine Technologie zu investieren, deren Ressourcen bei weltweiter, breiter Anwendung schnell verbraucht sein werden.
  3. Der Betrieb der Anlagen stellt keine direkte Bedrohung für die Umwelt dar. Dies gilt für die Bereitstellung der Rohstoffe genau so wie für die Behandlung der Abfälle.
  4. Die Produktionsanlagen haben keinen oder nur geringen Einfluss auf die Biodiversität.
  5. Die Anlagen produzieren ausschliesslich Abfälle, die nach spätestens 5 Generationen inert und ungiftig sind.
  6. Die Anlagen garantieren im Betrieb jederzeit den Einschluss aller radioaktiven und/oder toxischen Materialien.
  7. Der Betrieb der Anlagen ist reaktionsträge. Eine Kettenreaktion ist von selber nicht möglich.
  8. Es besteht keine Gefahr, dass Abfälle, die in falsche Hände geraten, zu grossen Schäden führen.

Die Positivkriterien wurden so verallgemeinert, dass sie für alle Technologien zur Bereitstellung von Energie verwendet werden können. Eine detailliertere Darstellung findet sich unter nachfolgendem Link. swisscleantech versteht die Positivkriterien als Diskussionsgrundlage und möchte damit helfen, die Auseinandersetzung um neue Technologien zu versachlichen.

Ständeratsdebatte zur Energiestrategie 2050 – das sind die Schwerpunkte von swisscleantech

In Kürze:
Für eine konsistente inländische Stromversorgung: Realistische Richtwerte für den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Obergrenze für den Netzzuschlag von 2.3 Rappen festlegen
Für mehr Energieeffizienz bei den Gebäuden: Mindestanforderungen für Heizsysteme einführen und Gebäudetechnik in den kantonalen Mustervorschriften berücksichtigen
Für mehr Effizienz bei den kleinen Stromverbrauchern: Grundlage für einen Effizienzmarkt schaffen
Für mehr Planbarkeit und Sicherheit bei den Kernkraftwerken: Langzeitbetriebskonzept für Kernkraftwerke im Energiegesetz verankern

Die Zukunft ist Erneuerbar
Unsere Wünsche an den Ständerat in den Bereichen Erneuerbare und Kernkraft

Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien, nicht den fossilen oder nuklearen Energiequellen. Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie werden mittelfristig die Energieversorgung dominieren. Die Schweiz kann zu den Gewinnern dieser Entwicklung gehören, wenn Sie die aktuelle Dynamik aufrecht erhält und Planbarkeit für alle beteiligten Akteure schafft. Es braucht einen klaren Rahmen für einen geordneten Ausbau der Erneuerbaren sowie einen geordneten Ausstieg aus der Kernkraft.

Der Ausbau der inländischen erneuerbaren Stromversorgung ist wichtig für den zeitgerechten Ersatz der heutigen Stromproduktion aus Kernkraftwerken. Ohne kontinuierlichen Zubau müssen vorübergehend grössere Mengen an Strom importiert oder fossile Gas- und Dampfkraftwerke gebaut werden. Für eine CO2-freie und unabhängige Stromversorgung sind deshalb realistische Ausbauziele festzulegen. Um diese Ziele zu erreichen und den Weiterbetrieb gefährdeter Wasserkraftwerke zu gewährleisten, ist es zwingend notwendig den Netzzuschlag auf 2,3 Rappen festzulegen.

Damit die Energiewirtschaft optimal planen kann, muss sie wissen, wann die bestehenden Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Denn genau zu diesem Zeitpunkt müssen Ersatzkraftwerke am Netz sein. Das Langzeitbetriebskonzept, welches der National vorgeschlagen hat, stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Haftungsklagen der Betreiber sind damit kaum zu befürchten, weil sie wenig Chance auf Erfolg haben.. Es ist wichtig, dem ENSI die Mittel in die Hand zu geben, damit es die Sicherheit der Kernkraftwerke gewährleisten kann. Verschiedentlich hat das ENSI sich dahingehend geäussert, dass ein solches Langzeitkonzept ein Fortschritt wäre.

Grosse Kernkraftwerksunfälle haben enorme Folgen. Eventuelle Katastrophen  müssen wegen ungenügender Versicherung vom Staat getragen werden. Höchste Sicherheitsanforderungen sind deshalb richtig. swisscleantech ist aber offen für neue Kraftwerkstechnologien, sofern diese den nötigen Anforderungen entsprechen (siehe Positivkrierien). In diesem Fall kann das Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt angepasst werden.

Die Energiewende gelingt nur mit mehr Effizienz
Unsere Wünsche an den Ständerat im Bereich Energie-Effizienz

Es ist nicht sinnvoll, erneuerbare Energien zu fördern ohne gleichzeitig die Effizienz zu verbessern. Die Sparpotentiale sind enorm. Bei steigenden Strompreisen, können die entstehenden Mehrkosten zu wesentlichen teilen durch Einsparungen beim Stromverbrauch kompensiert werden.
Anreize für mehr Energieeffizienz sind deshalb für die Verbraucher aber auch für die Volkswirtschaft von Interesse. Effizienz reduziert unsere Abhängigkeit vom Ausland, fördert Innovation und sichert Arbeitsplätze in der Schweiz.

Bei der Gebäudetechnik und insbesondere in unseren Heizsystemen schlummert ein enormes Energiesparpotenzial. Massnahmen zur Verbesserung der Gebäudetechnik können wesentlich schneller umgesetzt werden als Wärmedämmung. Die Gebäudetechnik-Branche engagiert sich bereits heute aktiv für Lösungen, ist aber auf gesetzliche Rahmenbedingungen angewiesen. Eine solche Rahmenbedingung sind Mindestanforderungen an den Wirkungsgrad von Wärmepumpen und Grossfeuerungen sowie Übergangsfristen für Elektroheizungen. Entscheidend ist hier aber nicht nur die Gesetzgebung des Bundes. Gleichzeitig sollten auch die Mustervorschriften der Kantone im Gebäudebereich (MuKEN) klare Richtlinien für die Gebäudetechnik enthalten. Damit kann das Gebäudeprogramm auch in den Bereichen Heizung, Lu¨ftung, Klima, Kälte, Elektro, Sanitär und Gebäudeautomation Wirkung erzeugen.

Ebenfalls grosse und bisher ungenutzte Effizienzpotenziale findet man bei kleinen und mittleren Stromverbrauchern. Obwohl viele Energieversorger heute bereits Effizienz-Produkte anbieten, fehlen Anreize für flächendeckende Programme. Es ist wichtig, dazu heute einen passenden Rahmen zu schaffen, damit der Verwaltung zusammen mit der Branche den Auftrag gegeben werden kann, solche Anreize zu schaffen. Der neue Vorschlag der Kommissionsminderheit Diener Lenz geht in die richtige Richtung.

Es gibt in Deutschland keine Kohle-Renaissance, schon gar nicht wegen Fukushima

Nüchtern betrachtet ist die Energiewende in Deutschland ein erstaunlicher Erfolg. So konnte die Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen in der Zeit zwischen 2003 und 2013 verdreifacht werden. Dabei stieg die Produktion von etwa 50 TWh auf über 150 TWh.

Enormer Zubau erneuerbaren Produktionsanlagen

In Deutschland wurden also in diesen 10 Jahren Anlagen zugebaut, die pro Jahr 1.5 mal so viel Strom produzieren, wie die Schweiz insgesamt produziert. In Deutschland, das einen rund 10 mal grösseren Stromverbrauch aufweist wie die Schweiz, stieg damit der Anteil an erneuerbarem Strom von unter 10% auf 25%.

Rückgang von Kohle und Gas

Parallel dazu wurde die Produktion von Strom aus Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken zurückgefahren. Betrug sie 2003 92% lag sie 2013 noch bei 75%. Dabei nahm nicht nur die Stromproduktion aus Kernkraftwerken ab, sondern auch die Produktion von Strom aus fossil befeuerten Kraftwerken. Betrug der Anteil dieser Kraftwerke 2003 390 TWh oder 65%, so waren es 2013 nur noch 58%. Die Energiewende führt in Deutschland also nicht nur zum Ausstieg aus der Kernenergie, sondern auch zu einer schrittweisen Reduktion der fossilen Stromproduktion.

Effekt des sinkende Gaspreis

Der Effekt dieser Politik wäre noch grösser gewesen, wenn nicht ab 2009 der Kohlepreis im Verhältnis zum Gaspreis gesunken wäre. Zusammen mit dem tiefen CO2-Preis am Markt führte das zu einer leichten Verdrängung von Strom aus Gaskraftwerken durch Steinkohlekraftwerke.

Kein Fukushima Effekt nachweisbar

Nicht haltbar ist die These, dass das abrupte Ausschalten von 5 Kernkraftwerken im Nachgang zu Fukushima ursächlich dafür verantwortlich sei, dass der Anteil an Kohlestrom in den letzten Jahren wieder leicht anstieg. Vielmehr ist es so, dass dieser Anstieg bereits 2 Jahre vor Fukushima, im Jahr 2009 begann – dies nach einem starken Produktionsabfall in den Jahren 2007 bis 2009. Eine abrupte Zunahme durch den sogenannten Fukushima–Effekt lässt sich nicht einmal für das Wachstum der Erneuerbaren nachweisen. Das steilste Wachstum der erneuerbaren Energien geht auf die Jahre 2010 und 2011 zurück.

Richtig ist jedoch, dass die Produktion aus fossilen Kraftwerken noch stärker abgesunken wäre, wenn die Bundesregierung nicht 2011 abrupt mehrere Kernkraftwerke ausgeschaltet hätte. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass eine langfristige Kraftwerksplanung wie sie in der Schweiz vorgehsehen ist, sinnvoll ist.

Kosten tiefer als drei Tausendstel der Wirtschaftsleistung

Natürlich hat diese Entwicklung die Bundesrepublik auch etwas gekostet. So stieg der Zuschlag, den die Stromkonsumenten dafür bezahlen müssen, auf 6.24 Eurocents pro kWh. Gleichzeitig sank wegen dieser Entwicklung aber auch der mittlere Strompreis um rund 2 Eurocent pro kWh. Insgesamt entstehen deshalb pro Jahr Nettokosten von 8 Mia Euro. Dies ist weniger als drei Tausendstel dessen, was die Volkswirtschaft der Bundesrepublik jährlich umsetzt. Gleichzeitig hat diese Energiepolitik auch positive Beschäftigungseffekte. Auf jeden Fall hat die Energiewende der Deutschen Wirtschaft nicht geschadet. Kein Land in der Eurozone steht heute so stark da, wie Deutschland. Nicht nur wegen der Energiewende – aber sicher auch deswegen.

2nd Swiss New Climate Economy Event in Zurich

Sustainable finance is one of the core solutions for better growth and better climate. Caio Koch-Weser, Vice Chairman of Deutsche Bank Group and Member of the Global Commission, discussed these topics in his keynote as well as on the panel together with Jean-Daniel Gerber, President Swiss Sustainable FinanceDr. Mirjam Staub-Bisang, CEO Independent Capital Group AG and Thomas Vellacott, CEO WWF Schweiz, moderated by Nick Beglinger, president of swisscleantech.

 

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Revision Umweltschutzgesetz: Nationalrat verfällt dem Freiwilligkeits-Dogma

swisscleantech ist über diesen Entscheid enttäuscht. Der Ständerat hatte die Vorlage bereits deutlich angepasst und damit den Anliegen der betroffenen Branchen (Recycling, Detailhändler, Caterer, Vending und Abfall) Rechnung getragen. Für diese Branchen wie auch für die gesamte Wirtschaft wird Ressourceneffizienz zukünftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor darstellen. «Ökologische Standards schaffen ein innovationsfreundliches Umfeld. Schweizer Firmen, die ihre Prozesse und Produkte rascher an höhere Umweltansprüche anpassen, verschaffen sich bedeutende Konkurrenzvorteile», betont Nick Beglinger, Präsident von swisscleantech.

Enttäuscht ist swisscleantech auch über die politischen Entscheidungsträger. Diese nehmen ihre Verantwortung nicht wahr, den Trend der Ressourcen-Übernutzung umzukehren. Nur mit einer Trendumkehr kann für die zukünftigen Generationen eine gleich hohe Lebensqualität sichergestellt werden. «Der heutige Entscheid ist ein Armutszeugnis für die Schweiz. Ein schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen war schon immer unsere Stärke. Wenn wir uns jetzt auf den Lorbeeren ausruhen, schneiden wir uns ins eigene Fleisch», so Beglinger.